Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Prolog
Rom 1773
Mit
auf dem Rücken verschränkten Armen stand der Mann am Fenster und sah auf den
sich rasch leerenden Hof hinab. Bittere Kälte drückte sich von außen gegen die
Scheibe. Dort unten schien sich Jedermann zu beeilen noch vor Einbruch der
völligen Dunkelheit eine wärmende Zuflucht zu erreichen. Er quittierte das
Gewimmel im Hof mit einem abfälligen Lächeln, das seine scharf gemeißelten Züge
noch härter erscheinen ließ. Diese Menschen waren für ihn nichts weiter als
unwichtige Drohnen, einfältige Schafe, die der Führung der von Gott auserwählten
Hirten bedurften. Männernwie ihm. Wie sonst hätte er seine
herausragende Position erreichen können, wenn nicht durch Gottes Fügung und seinen speziellen Segen?
Auch
in dem prachtvollen Empfangssaal war es kalt. Weder der halbe brennende
Baumstamm in dem riesigen Kamin, noch mehrere im Raum verteilte Kohlepfannen,
konnten die winterliche Kälte ganz daraus vertreiben. Die wenigen Kerzen
spendeten nur spärliches Licht und ihr flackernder Schein warf düstere Schatten
auf die hohen Wände.
Hinter
sich gewahrte der Mann das leise Geräusch von Ledersandalen. Die langsamen
Schritte verrieten ihm, dass der Ankömmling den Raum nur zögerlich betrat. Es entlockte
ihm ein weiteres, zynisches Lächeln. Er verachtete die Menschen für die Furcht,
die sie vor ihm hatten.
"Nun,
was habt Ihr mir zu berichten, Bruder Domenico? Habt Ihr die Namen der Frau und
ihrer Mitverschwörer?", fragte er eher beiläufig, ohne es für nötig zu
erachten, seinen Beobachtungsposten am Fenster zu verlassen.
"Ehrwürdiger
Vater, verzeiht mir, aber wir konnten nichts aus der Frau herausbringen."
Die Stimme des Mannes klang seltsam belegt und zitterte kaum merklich.
„Warum belästigt Ihr mich
dann?“
„Wir
sind vielleicht auf einen Hinweis gestoßen, dass es sich bei dem Pergament gar
nicht um das Original handelt, sondern nur um eine Kopie. Wenn dem so ist, dann
ist es eine meisterliche Fälschung. Zur Stunde lasse ich es von kundigen
Brüdern überprüfen.“ Der Mann hatte die Worte hastig und mit devotem Eifer
hervorgestoßen.
„Gut.
Ich wünsche über jegliches Ergebnis sofort informiert zu werden, egal zu
welcher Stunde. Inzwischen setzt Ihr die Befragung der Frau ohne Unterbrechung
fort. Sie ist ein schwaches Weib, sie wird reden. Ich will bis morgen wissen, woher
die geheimen Kirchendokumente stammen, die sie bei sich trug. Kommt erst
wieder, wenn Ihr mit Ergebnissen aufwarten könnt. Ihr seid entlassen."
Ungeduldig, seinem Besucher weiterhin den Rücken zugewandt, wedelte er mit der
Hand, als ob er eine lästige Fliege verscheuchen wollte. Durch die Bewegung
brach sich das unstete Kerzenlicht auf dem riesigen, funkelnden Rubin seiner
Rechten, verstärkte sein Leuchten um ein Vielfaches und ließ ihn wie einen
roten Blutstropfen aufblitzen. Für einen winzigen Moment schien der ganze Raum
gleichsam wie in Feuer getaucht. Bruder Domenico, der kurz den Kopf gehoben
hatte, sah darin ein schreckliches Omen. Ergeben verharrte er an seinem Platz.
Unwillig
wandte sich der Mann am Fenster nun doch nach ihm um. "Was will er denn
noch?", fuhr er ihn herrisch an.
"Ehrwürdiger
Vater, ich bin untröstlich, aber es ist uns nicht möglich, Eurem Wunsche zu
entsprechen", stieß der Mann mit gesenktem Kopf hervor. Nicht nur seine
Stimme, sondern sein gesamter Körper bebte jetzt.
"Warum?",
fragte die harte Stimme gedehnt, nicht gewohnt, dass seine Befehle nicht
unverzüglich ausgeführt wurden.
Nur
mit Mühe formten Bruder Domenicos kalte Lippen die verhängnisvolle Antwort,
die, wie er wusste, auch sein Schicksal besiegelte: "Weil die Frau tot
ist."
Ein Schatz des Wissens
Nürnberg,
Deutschland – Gegenwart
Nürnberg ist eine geschichtsträchtige Stadt. Einst von den Römern
gegründet, erlebte sie ihre zweite Blütezeit Ende des 15. Jahrhunderts. Damals
herrschte in der Stadt ein Rat aus einflussreichen Kaufmannsfamilien, die sich
nach römischem Vorbild Patrizier nannten und durch Handel reich und mächtig
geworden waren. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges diente die Stadt den
Siegermächten als Schauplatz für die Abrechnung mit prominenten Nazischergen wie
Walter Göring und Heinrich Himmler. Die Nürnberger Prozesse fanden im
Justizgebäude an der Fürther Straße statt, das heute zu besichtigen ist. Viele
namhafte Unternehmen, von denen das bekannteste Siemens ist, haben in Nürnberg
ihren Ursprung.
Zu einem dieser Inhaber eines namhaften
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