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Inside WikiLeaks

Titel: Inside WikiLeaks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Domscheit-Berg
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übernahmen, oder soziale Einrichtungen, etwa eine Dienststelle der amerikanischen Drogenhilfe.
    Die Leute von Anonymous halfen uns dabei, das Material für unsere Seite zu sortieren, und lieferten viele nützliche Informationen.
    Mit einigen von ihnen telefonierte ich damals spät in der Nacht. Ich musste sie immer aus irgendwelchen Call Shops bei mir um die Ecke auf ihren amerikanischen oder britischen Nummern anrufen. Da stand ich dann an die Kabinenwand aus Pressspanholz gelehnt, umgeben von dem beruhigenden Gebrabbel arabischer, indischer oder afrikanischer Exil-Wiesbadener, um mir Gruselgeschichten aus dem Leben eines Ex-Scientologen anzuhören. Das ging manchmal bis in den frühen Morgen.
    Um wach zu bleiben, brachte ich mir eine Club Mate mit, die ich neben mir auf dem Telefonapparat abstellte, und versuchte, den unbekannten Menschen auf der anderen Seite der Telefonleitung zu beruhigen. Der eine hatte nach seinem Austritt bei der Sea Org große Angst. Der nächste wollte wissen, wie er uns Video-Material zukommen lassen konnte. Und wieder ein anderer wollte einfach nur reden. Obwohl – das wollten eigentlich alle. Vor allem die Ex-Scientologen, deren Austritt noch nicht lange zurücklag, waren mit den Nerven völlig am Ende. Und dankbar für den jungen Deutschen, der ihnen geduldig zuhörte.
    Die Angestellten im Call Shop waren wohl gewohnt, dass finstere Gestalten bei ihnen anonym telefonieren wollten. Ich sprengte den Rahmen des Üblichen. Bei mir liegen noch heute bestimmt an die hundert SIM -Karten, ich bewahre sie in Filmdosen auf. Praktisch für meine Zwecke waren vorregistrierte SIM -Karten, die im Westend überall unter dem Ladentisch gehandelt wurden. Manchmal kaufte ich auch eine ganze Nummernfolge, suchte mir im Netz eine Großfamilie, die mal wieder eine ihrer Geburtstagspartys in einem Blog abfeierte, und benutzte deren Namen und Adresse, um das ganze Nummernbündel zu registrieren. Ich war ein Profi in Sicherheitsfragen. Wer mit mir telefonierte, wurde garantiert von niemandem abgehört.
    Auch die Übermittlung der Dokumente war sicher. Wir sorgten dafür, dass uns die brisanten Dokumente über so viele Umwege, Verschlüsselungen, Anonymisierungsverfahren und mit so viel Grundrauschen wie möglich erreichten, dass ihr Weg für niemanden mehr zurückzuverfolgen war. Wir selbst konnten unsere Quellen übrigens genauso wenig kontaktieren, wäre eine Rückfrage auch noch so dringend gewesen. Die Absender hinterließen keine Spuren im Netz, nicht den kleinsten Fingerabdruck, nicht einen Datenschnipsel.
    Sie hatten auch keine Gerichtsverfahren zu befürchten. Im Gegenteil, wir hofften regelrecht, dass Scientology uns verklagen würde. Die Klage wäre für die Sekte sicher erfolglos gewesen, hätte aber mehr Öffentlichkeit für die spektakulären Dokumente gebracht. So wie bei Julius Bär. Fast monatlich gab es in jeder größeren Stadt eine Protestaktion gegen Scientology. Anonymous hielten dabei einmal Transparente hoch, auf denen stand: »Sue WL , you faggots« – Verklagt WL , ihr Schwuchteln.
    Die Sektenvertreter sollten sich indes als klüger erweisen als unsere Gegner von der Bank. Oder sie hatten den Vorteil, dass sie später kamen: An Julius Bär hatte alle Welt gesehen, dass man mit einer Klage gegen uns nur verlieren konnte.
    Persönlich faszinierte mich der Kult um den Scientology-Gründer L. Ron Hubbard. Alte Aufnahmen zeigten den ehemaligen Science-Fiction-Autor als Redner an Universitäten. Dort erklärte er den Zuhörern, er sei Millionen Jahre alt und er reise von Planet zu Planet durchs Universum, um überall nach dem Rechten zu schauen. Am Anfang lachten die Leute. Gegen Ende der Aufnahme konnte man jedoch den Eindruck gewinnen, als hätte sich zwischen dem Publikum und Hubbard ein geradezu freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Hubbard hatte ein besonderes Talent. Er war ein einnehmender Erzähler, er konnte über sich selbst lachen und tischte den Leuten dabei in vollem Ernst die aberwitzigsten Storys auf.
    Julian und ich haben zu dem Zeitpunkt viele Scherze darüber gemacht, wie sinnvoll es auch für uns gewesen wäre, eine Religion ins Leben zu rufen. Das hätte viele unserer Probleme gelöst. Wenn zum Beispiel zu wenig Leute die Dokumente lasen, die wir für wichtig hielten, hätten wir ein Team von Zeugen Jehovas losgeschickt. Sie hätten an den Türen geklingelt und aus unseren Leaks vorgelesen: »Hier, kennen Sie diesen Absatz, es geht um Ihre lokale

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