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Inside WikiLeaks

Titel: Inside WikiLeaks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Domscheit-Berg
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Wasserversorgung – Korruption in Millionenhöhe!«
    Bei dem Scientology-Leak hatten uns die Jungs von Anonymous geholfen. Sie bereiteten das Wiki so auf, dass die Leser mit der Flut von Dokumenten zurechtkamen. Das waren alles freiwillige Helfer.
    Vergleichbares hätten wir für andere Materialsammlungen gut gebrauchen können. Es war schwierig, Außenstehende zur Mitarbeit zu motivieren, und uns war klar, dass wir auf Dauer nicht alles allein stemmen könnten. Es schlugen auch immer wieder neue Leute im Chat auf und boten Hilfe an. Aber wie sollten wir wissen, ob es sich dabei um Personen handelte, die für die gleichen Ideen standen wie wir? Und dass sie relevante Sicherheitsfragen nicht ausplauderten?
    Ein religiöser Kult hätte vieles vereinfacht. Die Mitarbeiter bei Scientology waren in der Regel hochmotiviert, und das trotz haarsträubender Arbeits- und Lebensbedingungen. Vielen nahm Scientology alles, und wenn das Geld alle war, mussten bei manchen sogar Häuser oder Versicherungen herhalten. Wer seinen Beitrag auf andere Weise leisten wollte, konnte für Scientology Jobs übernehmen und bekam dafür lediglich ein regelmäßiges Taschengeld und nur wenige Urlaubstage.
    Inzwischen frage ich mich, ob sich WikiLeaks in meinen letzten Monaten nicht auch zu einem religiösen Kult entwickelt hatte. Zumindest zu einem System, in dem Kritik von innen kaum mehr möglich war. Was schiefging, musste externe Gründe haben, der Guru war unantastbar und durfte nicht in Frage gestellt werden. Drohte Gefahr von außen, stärkte das den inneren Zusammenhalt. Wer zu viel Kritik anbrachte, wurde abgestraft, mit Kommunikationsentzug oder mit dem Verweis auf mögliche Konsequenzen bedroht. Und jeder Mitstreiter sollte nur so viel wissen, wie es für seine aktuellen Aufgaben nötig war.
    So viel lässt sich zumindest sagen: Julian hatte das Phänomen Kult, mit dem er sich bei der Lektüre der Scientology-Dokumente auseinandersetzen musste, sehr genau begriffen.

Erste Erfahrungen mit den Medien
    Kult und Geheimhaltung, juristische Tricksereien und Marketing – wir lernten einiges ausgerechnet von denen, die wir bekämpften. Später wollte Julian bei unseren eigenen Finanzen auf ähnliche Verschleierungstaktiken zurückgreifen wie das Zürcher Bankhaus. Wir ließen uns bezüglich der eigenen Strukturen genauso wenig in die Karten gucken und machten ein gewaltiges Mysterium um unser Team – wie Scientology. In der Schweiz, dem Land, das wir für miese Bankgesetze und feige Politik an den Pranger gestellt hatten, würde Julian Ende 2010 um Asyl ersuchen, auf der Flucht vor den schwedischen Strafverfolgern. Auch die Sprache der Militärs hielt in Julians Reden Einzug. Er fragte mich nicht mehr, wo unser Techniker steckte, sondern ob er » AWOL « wäre, »away without leave«, desertiert sozusagen. Als es darum ging, die Namen von Informanten des US-Militärs aus den Dokumenten zum Afghanistankrieg zu entfernen, nannten wir das Harm Minimization, Schadensminimierung.
    Der nächste Bereich, in dem wir zu Experten wurden, war die Presselandschaft. Von den Medien lernten wir, wie die öffentliche Meinung manipuliert werden konnte.
    Wir hatten zu diesem Zeitpunkt bereits erste Erfahrungen mit Zeitung und Rundfunk gemacht, nicht nur gute. Eine wichtige Erkenntnis war zum Beispiel, dass es im Krisenfall besser war abzulenken, als Energie darauf zu verwenden, die eigenen Schwächen oder Fehler zu dementieren und argumentativ aus der Welt zu räumen. Viel zu aufwendig! Zuerst gab ich bei jedem kleinen Patzer noch leutselig Auskunft. Doch die öffentliche Meinung vergaß schnell. Es war viel besser, ein Problem einfach auszusitzen. Was zählte, war die nächste Geschichte. Wenn es etwas Neues gab, worüber geschrieben werden musste, fragte niemand mehr nach alten Patzern.
    So warf ein Journalist der taz die Frage auf, ob unsere Server- und Gesetzeskonstruktion in Schweden einer ernsthaften Belastungsprobe tatsächlich standhielte. Immerhin beruhte darauf das Schutzversprechen, das wir unseren Quellen gaben. Tatsächlich gab es eine formale Lücke, die nicht ganz unproblematisch war. Zumindest lieferte nicht nur dieser Journalist ernstzunehmende Hinweise, dass unser Konstrukt alles andere als unangreifbar sei.
    Als ich Julian auf die Problematik ansprach, wehrte er barsch ab. »Der Autor ist schlecht informiert«, schimpfte er. Wenig später schickte er einen Tweet raus : »The article currently being spun about WikiLeaks source

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