Inside WikiLeaks
protection legalities is false.« 4 Damit war der Fall erst einmal erledigt.
Die Strategie ging auf: Man musste die Hintergründe nur so kompliziert und verwirrend wie möglich darstellen, um unangreifbar zu wirken. Technische Hintergründe versuchte ich Journalisten so kompliziert wie möglich zu erklären. Die wollten oft nicht zugeben, zu wenig Ahnung zu haben, und gaben ermattet auf. Es war das Prinzip Terrorismus oder auch Bürokratie: Der Gegner konnte einen nicht angreifen, wenn er keinen Punkt mehr zu fassen bekam, an dem er einen packen konnte. So ähnlich funktioniert auch modernes Kundenmanagement: Wer sich beschweren will, aber keinen Ansprechpartner mehr findet, der für das Problem zuständig ist, muss seinen Ärger herunterschlucken.
Für uns hieß das: Vielleicht ging es gar nicht so sehr darum, wie etwas wirklich war, sondern nur darum, wie wir es verkauften. Ein Problem anzupacken oder gar öffentlich dazu Stellung zu nehmen, hätte das Problem erst als solches in den Stand der Wirklichkeit erhoben. Im Nachhinein ist es geradezu erstaunlich, wie lange Julian Probleme zu beseitigen vermochte, indem er sie abtat.
Wir lernten mit der Zeit auch, mit welchen Journalisten wir zusammenarbeiten mussten, um einer Nachricht die größtmögliche Aufmerksamkeit zu verschaffen. Im Zweifel zogen wir Zeitungen oder Sendungen, die uns einen größeren und bunteren Leserkreis garantierten, Medien vor, die zwar besser informiert waren und die klügeren Fragen stellten, aber von Leuten gelesen wurden, die wir ohnehin nicht mehr zu überzeugen brauchten.
Die Zusammenarbeit mit großen Publikumsmedien war allerdings auch nicht immer unproblematisch. Ende 2009 veröffentlichten wir über 10 000 Seiten aus den geheimen Toll-Collect-Verträgen. In diesen Verträgen zwischen der Bundesregierung und Daimler, Deutscher Telekom und der französischen Autobahngesellschaft Cofiroute hatte die Bundesregierung dem Betreiberkonsortium des LKW -Mautsystems eine Rendite von vollkommen illusorischen 19 Prozent versprochen. Es ging hier um über eine Milliarde Euro. Diese Summe war kaum zu erreichen, am Ende würde der Steuerzahler dafür aufkommen müssen. Die Beteiligten hatten sich anschließend verständigt, den Inhalt des Abkommens nicht nach außen zu kommunizieren.
Wir entschieden uns damals, das Material zunächst an zwei Journalisten zu geben, damit sie es exklusiv auswerten konnten. Wir hatten vorher die Erfahrung gemacht, dass allzu komplizierte Sachverhalte – und das Vertragsmaterial war enorm kompliziert – durch die Medien mundgerecht aufgearbeitet werden mussten. Sie konnten noch so viel Sprengstoff enthalten – wenn niemand die Dokumente in der Öffentlichkeit bekannt machte, blieben sie unbeachtet auf unserer Website liegen. Wir suchten uns zwei Partner: zum einen den IT -Journalisten Detlef Borchers, der unter anderem für den auf Computerthemen spezialisierten Heise-Verlag schon häufig über das Thema geschrieben hatte, und zum anderen Hans-Martin Tillack, einen mehrfach preisgekrönten und versierten Reporter vom Stern .
Vom Stern versprachen wir uns viel Aufmerksamkeit. Das Magazin hatte damals sieben Millionen Leser, das Heft wurde über den Lesezirkel verbreitet und erreichte durch das Ausliegen bei Friseuren und in Arztpraxen ein breites Publikum.
Ich traf Tillack in seinem Büro in Berlin am Hackeschen Markt. Von der 5. oder 6. Etage, in der sich sein Büro befand, hatte man einen guten Ausblick über diese quirlige Mitte Berlins. Tillack saß vor seiner Bücherwand, die Hände vor dem Körper verschränkt, ein ungeduldiger Mensch, ganz absorbiert von seiner Rolle, die lautete: erfahrener Starjournalist. Viele meiner Sätze kommentierte der 49-Jährige mit einem »Ja, ja«, noch bevor ich sie beendet hatte.
Ich zog die Kopie des Toll-Collect-Vertrages aus der Tasche. Obwohl er mich wie einen Schuljungen behandelte, las ich großes Interesse in seinen Augen.
Tillack versprach, WL im Artikel prominent zu nennen. »Und ich bin mir sicher, dass wir für die gebührende Würdigung von WL eine Lösung finden, die Sie zufriedenstellen wird!«, schrieb er mir nach dem Treffen auch noch einmal per Mail.
Mir war wichtig, dass er erklärte, wie die Plattform funktionierte und was es mit diesem Projekt auf sich hatte.
Schon als ich ihn zwischendurch einmal anrief, um zu fragen, ob er noch Informationen von mir bräuchte, reagierte er gereizt und abweisend.
Was er am Ende aus der Story gemacht hat, war
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