Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
seinen Griff um Vivian ein wenig, und Banks bemerkte, dass er die Waffe weniger fest in der Hand hielt. »Edgar Konig ging an jenem Abend zum Bridge Cot-tage, um sich zu holen, was Ihre Mutter ihm seiner Meinung nach schuldete. Ihr Mann Matthew war im Pub, wie immer. In wenigen Tagen sollte die Bombergruppe Rowan Woods verlassen, das hatte ihn zum Äußersten getrieben. Er hatte nicht viel Zeit. Über ein Jahr hatte er sich gequält. Er hatte bereits etwas getrunken, war immer wollüstiger geworden und dachte, genügend Mut gesammelt zu haben, seine Unzulänglichkeit überwinden zu können. Doch irgendwas verursachte einen Kurzschluss. Sie muss ihn abgewiesen haben, vielleicht lachte sie ihn aus, und dann stellte er plötzlich fest, dass er sie in einem Wutanfall umgebracht hatte. Verstehen Sie, was ich Ihnen sage, Frank? Mit ihm stimmte etwas nicht.«
»Ein Verrückter?«
»Nein. Nicht im technischen Sinne. Jedenfalls zuerst nicht. Er wurde zum Sexualmörder. Die beiden Dinge - Sexualität und Mord - verwoben sich in seinem Kopf. Das eine verlangte nach dem anderen.«
»Wenn das so gewesen ist, warum weiß es dann keiner?«
Langsam griff Banks nach seinen Zigaretten und bot Frank eine an. »Hab vor Jahren aufgehört«, sagte er. »Aber vielen Dank für das Angebot.«
Banks zündete sich eine an. Ein definitiver Fortschritt. Frank wirkte nicht mehr so verkrampft, sondern geneigter, der Stimme der Vernunft Gehör zu schenken. Er schien auch nicht betrunken oder auf Drogen zu sein. Bloß nichts vermasseln jetzt.
»Keiner wusste es«, fuhr Banks fort, »denn Edgar Konig wurde klar, was er getan hatte. Er wurde schnell nüchtern. Er verwischte sorgfältig seine Spuren.« Banks sah Vivian Elmsley beim Sprechen an. Sie wandte den Blick ab. »Er machte alles sauber und vergrub ihre Leiche im Schuppen. Dann packte er ein paar Kleider und Sachen von Gloria in einen Koffer, damit es so aussah, als wäre sie fortgelaufen. Er fälschte sogar einen Abschiedsbrief. Es war Krieg. Ständig wurden Menschen vermisst. Jeder im Dorf wusste, dass Gloria nicht glücklich mit Matthew war, dass er eine Last war, die sie ertragen musste. Warum sollten sie bezweifeln, dass sie sich heimlich davongemacht hatte?«
Frank sprach in Vivians Ohr: »Stimmt das, was er sagt?«
Banks konnte nicht hören, was sie sagte, aber er sah, dass ihre Lippen ein »Ja« formten.
»Frank«, nutzte Banks seinen Vorteil aus, »die Waffe. Ich weiß, dass Sie niemandem wehtun wollen, aber sie ist gefährlich. Man macht schnell eine falsche Bewegung. Bis jetzt ist noch niemand verletzt worden. Bis jetzt gab es noch keinen Schaden.«
Frank betrachtete die Pistole, als sähe er sie zum ersten Mal.
Banks betrat die Feenbrücke und bewegte sich langsam mit ausgestreckter Hand vorwärts. Er wusste, dass wahrscheinlich ein oder zwei ausgebildete Scharfschützen in seine Richtung zielten; der Gedanke drehte ihm den Magen um. »Geben Sie mir die Waffe, Frank. Es ist alles vorbei. Vivian hat Ihre Mutter nicht umgebracht. Sie hatte nichts damit zu tun. Sie liebte Gloria wie eine Schwester. Es war Edgar Konig.«
Frank ließ die Waffe sinken und ließ Vivian Elmsley los. Sie stolperte zur Seite und rutschte in eines der verschlammten Löcher, das die Spurensicherung in den Boden von Bridge Cottage gegraben hatte. Annie rannte ihr zu Hilfe. Frank reichte Banks die Waffe. Sie wog schwer in seiner Hand. »Was ist aus ihm geworden?«, fragte Frank. »Aus diesem Konig? Wurde er je gefasst?«
»Das erzähle ich Ihnen alles später, Frank«, sagte Banks und fasste Frank am Ellenbogen. »Im Moment sind wir alle ein bisschen müde und durchnässt. Okay? Ich finde, wir sollten hier abhauen, irgendwo hinfahren, wo wir uns aufwärmen und saubere Sachen anziehen können, nicht?«
Frank ließ den Kopf hängen. Banks legte ihm den Arm um die Schultern. Dabei bemerkte er etwas auf dem Boden, teilweise von Schlamm bedeckt. Er bückte sich und hob es auf. Es war ein Foto der sechzehnjährigen Gloria Shackleton. Ihr schönes, entschlossenes, trotziges Gesicht starrte der Kamera entgegen. Das Wasser hatte das Bild angegriffen, doch war es noch zu retten.
Mehrere Polizeibeamte rutschten oder stürmten bereits die Uferböschung hinunter. Zwei gingen zu Annie und halfen ihr, Vivian aus der Grube zu hieven, und zwei griffen grob nach Frank und legten ihm Handschellen an.
»Es gibt keinen Grund, ihn so zu behandeln«,
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