Inspector Alan Banks 10 In einem heißen Sommer
damals gelogen hatte. Danach hasste er sie; er rief bei ihr an, um ihr Angst einzujagen, um sie leiden zu lassen. Er hätte sie jederzeit überwältigen können, aber er genoss die Vorfreude. Schließlich würde alles vorbei sein, sobald er ihr gegenübergetreten wäre. Deshalb verfolgte er sie, beobachtete sie. Als sie vor dem Hotel ins Taxi stieg, wusste er, wohin sie fahren würde, und er fand es passend, dass alles dort ein Ende finden sollte, wo es begonnen hatte.
Aber heute Abend war Vivian in Gainesville allein mit ihren Erinnerungen, dem Fernsehen und einer Flasche Gin, Eiswürfeln und Tonicwater. Und einer Hinrichtung.
Es war bereits ein relativ aktuelles Foto von Edgar Konig gezeigt worden. Vivian hatte darin nicht den schlaksigen jungen Flieger mit dem Babygesicht, dem schüchternen Blick und dem blonden Bürstenschnitt wiedererkennen können. Er hatte keine Haare mehr, die Wangen waren eingefallen und runzlig, die Stirn gefurcht, und die Augen lagen in tiefen dunklen Höhlen, in denen sich schleimige Monster wanden.
Während sie die Live-Übertragung verfolgte, stellte sich Vivian vor, wie die Beamten die Vorbereitungen zum staatlich sanktionierten Mord mit geschickter, unpersönlicher Effizienz durchführten, wie Ärzte.
Zuerst würden sie den Patienten auf dem schweren Eichenstuhl Platz nehmen lassen und die dicken Ledergurte um seine Arme und Beine schnallen. Dann würden sie ihm das Beißholz zwischen die Zähne schieben und die Elektroden an seinem Körper befestigen, als ob sie ein EKG machen wollten. ,
Sie fragte sich, ob die Ledergurte stanken, ob sie vom Schweiß und der Angst des letzten Opfers säuerlich rochen. Wie viele Hände und Beine hatten sie schon festgehalten? Oder wurden sie nach jeder Hinrichtung ausgewechselt? Und der Stuhl selbst? Wie viele Blasen und Gedärme hatten sich auf ihm entleert?
Dann würden sie die Schädelkappe aus Metall festklemmen.
Vivian schüttelte den Kopf, um klar zu denken. Sie fühlte sich benommen und merkte, dass sie schon angetrunken war. Wenn jemand so ein Ende verdiente, dann war es wohl Edgar Konig, so kritisch sie der Todesstrafe auch gegenüberstand.
Vivian war schockiert gewesen, als Banks ihr einen Tag nach Franks Verhaftung erzählte, Glorias Mörder sei nicht tot, sondern warte in einer Gefängniszelle in Florida auf seine Hinrichtung.
Dachte er jetzt wohl an Gloria, wo das Ende so nah war? fragte sich Vivian. Verschwendete er einen Gedanken an die Schöne junge Frau, die vor so vielen Jahren in einem Dorf gelebt hatte, das nicht mehr existierte? Die er während eines Krieges kennen gelernt hatte, der vor langer Zeit gewonnen worden war? Und was war mit den anderen Opfern? Wie viele waren es gewesen? Selbst Banks hatte ihr keine genaue Zahl nennen können. Dachte Konig wohl an sie?
Wenn er so war wie die meisten Massenmörder, über die sie im Laufe ihrer Recherchen gelesen hatte, so fühlte er wahrscheinlich nichts als Selbstmitleid und verfluchte in seinen letzten Augenblicken das Pech, das zu seiner Ergreifung geführt hatte. Was Banks ihr wenige Tage nach dem Vorfall in Hobb's End erzählt hatte, trug nicht dazu bei, diese Vorstellung zu zerstreuen.
Banks' Kontaktmann beim FBI hatte Konig im vergangenen Dezember verhört und einen Bericht eingeschickt. Konig sagte aus, er wisse noch, dass er die erste Frau in England während des Krieges erledigt hätte. Er konnte sich weder an den Namen noch an die Umstände erinnern, aber er meinte, es hätte sich wohl um eine Blondine gehandelt. Ganz genau wusste er allerdings, dass er ihr über ein Jahr lang Strümpfe, Kaugummi, Zigaretten und Bourbon besorgt hatte und sie nicht das kleinste bisschen Dankbarkeit zeigte, als er sich seine Belohnung holen wollte. Er sei betrunken gewesen. Er konnte sich erinnern, wie die Spannung in ihm gestiegen und immer stärker geworden war, bis sie an jenem Abend zu heftig geworden sei und der Damm schließlich brach. Sie hatte nichts mit ihm zu tun haben wollen, einem popeligen Schütze Arsch. O nein. Sie fickte lieber einen Piloten.
Es war immer der Alkohol, sagte er. Wenn er nicht betrunken gewesen wäre, hätte er keiner von ihnen etwas getan. Doch der Alkohol ließ etwas tief in ihm einfach ausklinken, und als Nächstes lagen sie tot zu seinen Füßen. Dann wurde er böse auf sie, weil sie gestorben waren, und griff zum Messer. So war es bei der zweiten Frau gewesen. Berlin 1946. Als er beim ersten Mal
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