Inspector Alan Banks 11 Kalt wie das Grab
Treffen mit Emily vereinbart und ihr das vergiftete Kokain gegeben hatte, dass sie nicht einmal dabei zu sein brauchte, weil es ihr reichte, sich einfach Emilys Schmerz und Blamage vorzustellen. Während er sprach, wich die Farbe völlig aus Rosalind Riddles Gesicht, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie liefen nicht über, sammelten sich nur an den Augenrändern, warteten und vergrößerten ihre Verzweiflung. Rosalind ließ den Drink und die Zigarette unberührt, während sie zuhörte. Die Asche wurde immer länger und fiel auf den Holzboden, als ein leichtes Zittern durch ihre Finger lief.
Als Banks geendet hatte, saß Rosalind eine Weile schweigend da, nahm alles in sich auf, verdaute es, so gut sie konnte, und schüttelte langsam den Kopf, als sei sie sich mit einer inneren Stimme nicht einig. Dann goss sie den Rest ihres Drinks hinunter und flüsterte: »Aber warum? Warum hat sie das gemacht. Können Sie mir das beantworten?«
»Sie ist krank.«
»Das ist kein Grund. Warum? Warum hat sie es gemacht? Warum hasst sie uns so sehr? Habe ich nicht das Beste für sie getan? Ich habe nicht abgetrieben. Ich habe ihr das Leben geschenkt. Woher zum Teufel sollte ich wissen, dass sich ihre Adoptiveltern als religiöse Fanatiker herausstellen würden?«
»Das konnten Sie nicht wissen.«
»Warum gibt sie mir dann die Schuld?«
Ruths letzte Worte vom Nachmittag hallten immer noch in Banks' Kopf wider: Weil sie sie wieder aufgenommen haben. Sie hat ihnen das Herz gebrochen, und sie haben sie wieder aufgenommen. »Weil Ruth alles ausschließlich von ihrem Standpunkt betrachtet«, sagte er. »Sie sieht nur, wie sich die Dinge auf sie auswirken, wie sie sie verletzen, dass ihr etwas vorenthalten wurde. Ihrer Sichtweise nach wirkte sich alles entweder positiv oder negativ für sie aus. Hauptsächlich negativ. Sie weiß es nicht anders, erkennt normale menschliche Gefühle nicht.«
Rosalind lachte rau. »Meine Tochter, die Psychopatin?«
»Nein. Nein, das glaube ich nicht. So einfach ist es nicht. Es gefiel ihr, Macht über Menschen zu haben, Schmerz zuzufügen, aber sie hat nicht die Distanz eines Psychopaten. Sie ist besessen, ja, aber nicht psychopathisch. Und sie kennt den Unterschied zwischen Gut und Böse. Um Genaueres zu erfahren, müssten Sie natürlich einen Psychologen fragen, aber das ist meine Meinung.«
Rosalind stand auf und machte sich einen weiteren Drink. Sie bot auch Banks einen an, doch er lehnte ab. Er hatte immer noch etwas im Glas, und das reichte ihm völlig.
»Wird man sie in eine Nervenheilanstalt bringen?«, fragte Rosalind.
»Man wird ihren Geisteszustand psychiatrisch untersuchen, was immer das bringt. Danach wird festgelegt, was am besten mit ihr geschieht.«
»Wird es einen Prozess geben? Gefängnis?«
»Ich fürchte, ja.«
Rosalind schüttelte den Kopf. »Emily ist tot. Jerry ist tot. Ruth ist eine Mörderin. Bevor Emily starb, hat sie mit einem Mann zusammengelebt, der mich vor mehr als zwanzig Jahren geschwängert hat und der Vater von Ruth ist. Dann finde ich heraus, dass meine Tochter, meine zur Adoption freigegebene Tochter Ruth, Emily diesem Mann absichtlich zugeführt hat, nur um uns alle in ihren Augen zu erniedrigen. Sie wusste als Einzige, dass wir alle eine Lüge leben. Dann hat sie Emily umgebracht. Ich hatte zwei Töchter, und die eine hat die andere umgebracht. Wie soll ich das alles miteinander vereinbaren? Wie kann ich darin einen Sinn finden?« Sie nahm einen großen Schluck Gin-Tonic.
Banks schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Vielleicht gelingt es Ihnen mit der Zeit.«
»Erinnern Sie sich an Ihren ersten Besuch hier?« fragte Rosalind, schlug die Beine übereinander und lehnte sich im Sessel zurück, so dass ein Stück ihrer glatten weißen Oberschenkel sichtbar wurde. Ihre Stimme klang ein bisschen verwaschen.
»Ja.«
»Ich war abscheulich, nicht wahr?«
»Sie waren bestürzt.«
»Nein, das stimmt nicht. Ich war abscheulich. Jerry war bestürzt. Wenn überhaupt, war ich verärgert und gereizt über Emilys unverantwortliches Benehmen und machte mir Sorgen, welche Auswirkungen das auf Jerrys politische Ambitionen und auf meine Zukunft haben könnte. Ich wollte Emily nicht wieder hier haben. Ich wurde nicht mit ihr fertig.«
»Sie wollten die Welt schützen, die Sie geschaffen haben.«
»Und was war das für eine Welt. Alles Oberflächlichkeit ohne Substanz.
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