Inspector Alan Banks 12 Wenn die Dunkelheit fällt
hat. An dem Abend, als Leanne Wray verschwunden ist, wurde zwischen halb zehn und elf ein Pkw von der Disraeli Street als gestohlen gemeldet.«
»Ach, tatsächlich? Ist die Disraeli Street nicht um die Ecke vom Old Ship?«
»Allerdings, Sir.«
Banks setzte sich und rieb sich die Hände. »Erzählen Sie!«
»Der Fahrzeughalter heißt Samuel Gardner. Ich habe mit ihm telefoniert. Sieht aus, als hätte er den Wagen geparkt und wäre kurz im Cock and Bull auf der Palmerston Avenue verschwunden, nur auf ein Pint Shandy, versteht sich.«
»Natürlich. Gott behüte, dass wir versuchen, ihn zwei Monate hinterher wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss ranzukriegen. Was halten Sie davon, Winsome?«
Winsome schlug die Beine in die andere Richtung übereinander und zog den Rocksaum über die Knie. »Ich weiß nicht, Sir. Ein ganz schön großer Zufall, finden Sie nicht?«
»Dass Ian Scott in der Nähe war?«
»Ja, Sir. Ich weiß, dass es eine Menge Jugendliche gibt, die Autos knacken und damit rumfahren, aber ... tja, die Zeit passt, und der Ort auch.«
»Allerdings. Wann wurde Anzeige erstattet?«
»Um zehn nach elf an dem Abend.«
»Und wann wurde das Auto gefunden?«
»Erst am nächsten Morgen, Sir. Ein Streifenbeamter hat es unzulässig geparkt vor den architektonischen Gärten entdeckt.«
»Das ist nicht weit weg vom Riverboat, oder?«
»Zu Fuß zehn Minuten, höchstens.«
»Wissen Sie, das sieht langsam gut aus, Winsome. Ich möchte, dass Sie Samuel Gardner einen Besuch abstatten, vielleicht können Sie noch mehr aus ihm rausbekommen. Beruhigen Sie ihn! Machen Sie ihm klar, dass es uns scheißegal ist, und wenn er eine ganze Flasche Whiskey getrunken hat! Er soll uns nur alles erzählen, was er von dem Abend noch weiß. Und lassen Sie das Auto zu einer kompletten forensischen Untersuchung in die Polizeiwerkstatt bringen. Ich bezweifle zwar, dass wir nach so langer Zeit noch was finden, aber das wissen Scott und Blair ja nicht unbedingt, oder?«
Winsome grinste boshaft. »Wohl kaum, Sir.«
Banks sah auf die Uhr. »Wenn Sie mit Gardner gesprochen haben und das Auto sicher in unserer Hand ist, holen Sie Mick Blair. Ich glaube, ein kleines Plauderstündchen mit ihm in einem unserer Vernehmungsräume könnte sehr produktiv sein.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Und lassen Sie gleichzeitig Sarah Francis herbringen.«
»Gut.«
»Und, Winsome?«
»Ja, Sir?«
»Sorgen Sie dafür, dass sich die beiden im Vorbeigehen sehen, ja?«
»Gerne doch, Sir.« Winsome lächelte, stand auf und ging.
»Bitte«, sagte Jenny, »ich hab noch nichts zu Mittag gegessen. Ist hier nichts in der Nähe, wo wir hingehen können, anstatt auf der Straße rumzustehen?« Auch wenn ihre anfängliche Furcht sich etwas gelegt hatte, als der junge Mann sie einfach nur fragte, wer sie sei und was sie wolle, und keine besondere Neigung zur Gewalttätigkeit erkennen ließ, wollte sie mit den beiden doch lieber an einem öffentlichen Ort sein und nicht oben in der Wohnung.
»Unten an der Straße ist ein Café«, erwiderte er. »Da können wir hingehen, wenn Sie wollen.«
»Gut.«
Jenny ging zusammen mit den beiden zurück zur Durchgangsstraße, überquerte den Zebrastreifen und betrat ein Eckcafé, in dem es nach Frühstücksspeck roch. Eigentlich wollte sie ja abnehmen - wollte sie ständig -, aber sie konnte dem Duft nicht widerstehen und bestellte einen Schinkentoast und einen Becher Tee. Die anderen beiden wählten dasselbe, und Jenny bezahlte. Niemand erhob Protest. Arme Studenten protestieren nie. Da sie den beiden nun näher war, mit ihnen an einem frei stehenden Tisch am Fenster saß, erkannte Jenny, dass sie sich geirrt hatte. Auch wenn das Mädchen starke Ähnlichkeit mit Lucy hatte, ihre Augen, ihren Mund und das gleiche glänzend schwarze Haar besaß, war sie doch anders. Diese junge Frau hatte etwas Weicheres, Zerbrechlicheres, Menschlicheres an sich, und ihre Augen waren nicht so schwarz und unergründlich wie die von Lucy; sie waren intelligent und einfühlsam, doch in ihrer Tiefe flackerten Schrecken und Angst, die Jenny sich nicht einmal ansatzweise vorstellen konnte.
»Laura, stimmt's?«, sagte sie, als alle saßen.
Die junge Frau hob die Augenbrauen. »Hm, ja. Woher wissen Sie das?«
»Das ist nicht schwer«, erwiderte Jenny. »Sie haben große Ähnlichkeit mit Ihrer Schwester und außerdem sind
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