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Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall

Titel: Inspector Alan Banks 13 Ein seltener Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Robinson
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Mund.
      Alles war ordentlich. Vielleicht waren einige Schubladen nicht richtig zugeschoben, das hatte sie versäumt, aber sonst war alles an seinem Platz. Nein, es war viel, viel schlimmer.
      Ausgebreitet in der Mitte des Bettes lag Melissas Kleid. Als Michelle es in die Hand nehmen wollte, stellte sie fest, dass es durchgeschnitten war.
      Michelle taumelte gegen die Wand, eine Hälfte des Kleides an die Brust gedrückt. Sie konnte kaum glauben, was geschehen war. Da entdeckte sie die Botschaft auf dem Spiegel der Kommode: Vergiss Graham Marshall, Miststück! Denk an Melissa. Sonst bist du die Nächste.
      Michelle schrie auf, hielt das Kleid vors Gesicht und rutschte die Wand hinunter auf den Boden.
     
     

* 12
     
    Norman Wells saß im Vernehmungszimmer, die Arme über dem dicken Bauch verschränkt, die Lippen fest zusammengepresst. Falls er Angst hatte, zeigte er es nicht. Aber er wusste ja nicht, was die Polizei schon über ihn in Erfahrung gebracht hatte.
      Banks und Annie saßen ihm gegenüber, die Akten vor sich ausgebreitet. Nach einem Tag Ruhe fühlte sich Banks ausgeruht. Am Samstagabend war er lange aufgeblieben, hatte das Essen vom Chinesen genossen und sich mit Brian unterhalten, aber am Sonntag hatte er nach Brians Abreise nur noch Zeitung gelesen, einen Spaziergang von Helmthorpe nach Rawley Force und zurück gemacht, war in einem Pub zu Mittag eingekehrt und hatte sich mit dem Kreuzworträtsel der Sunday Times herumgeschlagen. Abends hatte er überlegt, ob er Michelle Hart in Peterborough anrufen solle, sich dann aber dagegen entschieden. Sie waren nicht gerade im Guten auseinander gegangen, nun konnte sie sich melden, wenn sie Lust hatte. Nach einem kleinen Laphroaig und einer Zigarette zum Sonnenuntergang in der milden Abendluft vor dem Haus hatte er sich English Song Book von Ian Bostridge angehört, war noch vor halb zehn ins Bett gegangen und hatte so tief und fest geschlafen wie schon lange nicht mehr.
      »Norman«, sagte Banks. »Sie haben doch nichts dagegen, wenn ich Sie Norman nenne, oder?«
      »Ist ja mein Name.«
      »Detective Inspector Cabbot hat sich ein bisschen in Ihrer Vergangenheit umgeschaut, und dabei hat sich herausgestellt, dass Sie schon mal ein böser Junge gewesen sind, stimmt's?«
      Wells schwieg. Annie schob Banks die Akte zu. Er schlug sie auf. »Sie waren früher Lehrer, stimmt das?«
      »Das wissen Sie genau, sonst hätten Sie mich ja nicht aus meinem Geschäft hergeschleppt.«
      Banks hob die Augenbrauen. »Ich habe es so verstanden, dass Sie aus freien Stücken mitgekommen sind, als Sie gebeten wurden, uns bei den Ermittlungen zu helfen. Irre ich mich etwa?«
      »Glauben Sie, ich bin blöd?«
      »Ich kann Ihnen nicht folgen.«
      »Sie brauchen nicht den Begriffsstutzigen zu spielen. Sie wissen genau, was ich meine. Wenn ich nicht freiwillig mitgekommen wäre, hätten Sie eine Möglichkeit gefunden, mich herzubringen, ob ich wollte oder nicht. Los, fangen Sie an! Ihnen mag das egal sein, aber ich habe ein Geschäft und Kunden, die auf mich warten.«
      »Wir werden dafür sorgen, dass Sie so schnell wie möglich zurück in Ihren Laden gehen können, Norman, aber zuerst möchte ich, dass Sie mir ein paar Fragen beantworten. Sie haben an einer Privatschule in Cheltenham unterrichtet, ist das richtig?«
      »Ja.«
      »Wie lange ist das her?«
      »Sieben Jahre.«
      »Warum haben Sie aufgehört?«
      »Hat keinen Spaß mehr gemacht.«
      Banks warf Annie einen kurzen Blick zu. Sie runzelte die Stirn, beugte sich vor und tippte auf mehrere Zeilen eines getippten Blattes vor Banks. »Norman«, setzte Banks erneut an, »ich denke, ich sollte Ihnen mitteilen, dass Detective Inspector Cabbot heute Morgen mit Ihrem ehemaligen Direktor gesprochen hat, mit Mr. Fulwell. Zuerst wollte er nicht über Schulangelegenheiten reden, aber als sie ihm erklärt hat, dass wir möglicherweise in einem Mordfall ermitteln, wurde er etwas entgegenkommender. Wir wissen über Sie Bescheid, Norman.«
      Der Moment der Wahrheit war gekommen. Wells schien in seinem Stuhl zu schrumpfen. Er schob die dicke Unterlippe vor, bis sie die Oberlippe verdeckte. Sein Kinn verschmolz mit dem Hals, und er schien die Arme noch enger um sich zu schlingen. »Was wollen Sie von mir?«, flüsterte er.
      »Die Wahrheit.«
      »Ich hatte einen Nervenzusammenbruch.«
      »Wie kam es dazu?«
      »Durch die anstrengende Arbeit. Sie können sich nicht

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