Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder
versaut werden...« Er nahm ihre Hand. »Wozu brauchst du denn so eine große Tasche?«
»Für die Garderobe. Der Hosensaum muß ausgelassen werden. Kaputter Reißverschluß. Und ein paar Bordüren, die aufgenäht werden müssen.«
»Du arbeitest zuviel.«
»O Tom.« Sie beförderte seine Füße von der Fußbank und setzte sich selbst darauf, wobei sie ihre kalten Hände dicht ans Feuer hielt. »Sag das nicht. Du weißt doch, wie gern ich es tue.«
Das wußte er. Er hatte sich vorhin ein Tonband angehört, das sie mit Arien von Katharina Cavalieri aufgenommen hatte. Joyce hatte eine wunderbare Stimme, einen vollen Sopran. Nicht ganz rein in den höheren Lagen, aber immer noch mit dem gleichen tiefen Schmelz. »Martern aller Arten« hatte ihn zu Tränen gerührt.
Als sie sich kennengelernt und ineinander verliebt hatten, war sie Studentin an der Guildhall School of Music gewesen. Er hörte sie zum ersten Mal während einer Vorstellung in ihrem letzten Studienjahr singen, und er hatte dagesessen, fassungslos und ängstlich dem wunderbaren Klang gelauscht. Eine ganze Weile danach konnte er immer noch nicht glauben, daß sie einen so gewöhnlichen Mann, wie er es war, lieben konnte. Oder daß er sich ihrer jemals sicher sein könnte.
Aber sie hatten geheiratet, und sie hatte noch vier Jahre lang gesungen, zuerst nur kleine, kaum bemerkte Rezitationen; dann trat sie dem Chor des National Opera House bei. Als Gully geboren wurde, war alles zu Ende. Barnaby und sie stimmten aber darin überein, daß es nur für eine Weile vorbei sein sollte. Vorübergehend. Das Geld war knapp, und als Cully zwei Jahre alt war, bekam Joyce ein Engagement als zweite Besetzung für Godspell. Aber eine Karriere bei der Polizei ist mühsam, Tom hatte öfter Nachtdienst, und eine oder zwei unangenehme Erfahrungen mit Babysittern ließen Joyce voller Schuldgefühle und Angst ins Theater gehen, so daß sie sich nicht mehr konzentrieren konnte. Also ging sie zur Causton Light Operatic Society, um ihre Stimme geschmeidig zu halten, als die CADS gegründet wurde. Es war natürlich nicht das, wovon sie geträumt hatte, aber selbstverständlich immer noch besser als nichts. Sie und Tom kamen überein, daß es nur so lange so gehen sollte, bis Cully alt genug war und man sie allein lassen konnte.
Als diese Zeit gekommen war, mußte Joyce jedoch feststellen, daß sich die Musikwelt weitergedreht hatte und nun voller talentierter, harter, karrierewilliger junger Sänger war. Und die Jahre von mehr oder weniger durchgehender Häuslichkeit hatten ihre Ambitionen stumpf werden lassen. Sie wurde sich darüber klar, daß sie keine Lust mehr hatte, nach London zu fahren, in einem schlecht beleuchteten Theater zu stehen und für ein gesichtsloses Trio irgendwo da draußen zu singen.
Besonders, wenn Scharen von Zwanzigjährigen schon in den Kulissen standen, scharf wie Rasierklingen, voller Entschlossenheit und Auftrieb, Energie und Hoffnung. Und daher ließ Joyce ihre Pläne für eine Musikkarriere fallen, allmählich und ganz ohne ein äußeres Anzeichen von Enttäuschung.
Aber ihr Ehemann sah sie ihre Theaterrollen, von denen es viele gab, mit einer derart einfühlsamen Wahrhaftigkeit spielen oder hörte, wie ihre liebliche Stimme in der Weihnachtsgeschichte die anderen anführte, und es gelang ihm nie, diesen Darbietungen ohne den peinigenden Stich aus Kummer und Reue beizuwohnen. Dieser Stich wurde zwar über die Jahre durch ihre glückliche Ehe gemildert, aber nun, da er «Martern aller Arten« noch in den Ohren hatte und aus den Augenwinkeln heraus die vielen Veränderungen erkannte, fuhr plötzlich ein Pfeil aus Trauer, ein Leiden über diese Verschwendung, wie ein Messer durch ihn hindurch.
»Tom...« Joyce nahm seine andere Hand und blickte ihm ins Gesicht. »Schon gut. Es macht doch nichts. All das. Es macht nichts. Da sind wir beide. Und da ist auch Cully. Liebling...?« Sie begegnete seinem Blick mit Kraft und Liebe. »Alles in Ordnung?«
Barnaby nickte und ließ zu, daß sein Gesicht sich aufhellte. Was hätte er sonst auch tun sollen? Die Dinge waren nun einmal nicht mehr zu verändern. Und es war eine Tatsache, daß es Cully gab.
Ihre Tochter hatte, seit sie mit vier Jahren zum ersten Mal bei einer Pantomime mitgemacht hatte, eine Theaterleidenschaft gepackt. Sie war wie der Wind auf die Bühne gesaust, als die Alte die Kinder aufforderte, auf den bösen Wolf aufzupassen, und sie trat um
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