Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder

Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder

Titel: Inspector Barnaby 01 Die Rätsel von Badgers Drift 02 Requiem für einen Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
Vom Netzwerk:
darüber mal keine Sorgen, meine Liebe, ich sitze doch bloß nebenan und glotze in die Flimmerkiste.« Die Münzen, die Dierdre unter den Teetopf gelegt hatte, verschwanden dann allerdings doch, und nun war es auch mit dem Briefumschlag nicht anders.
      Als Mrs. Higgins gegangen war, schloß Dierdre die Tür und verriegelte sie, setzte etwas Milch für ihre Horlicks auf die niedrigste Flamme und stieg die Treppe hoch. Ihr Vater saß kerzengerade in einem frischen Schlafanzug unter einem großen, düsteren Druck von Das Licht der Welt. Sein grauer Schnurrbart, in dem noch immer blaßrote Haare schimmerten, war von Tränen der Freude durchtränkt, und seine Augen leuchteten.
      »Er kommt!« rief er, als Dierdre ins Zimmer kam. »Der Herr kommt!«
      »Ja, Daddy.« Sie setzte sich auf sein Bett und nahm seine Hand. Es fühlte sich an, als würde sie ein paar dürre Knochen in einem Beutel aus Haut halten.
      »Möchtest du noch etwas trinken?«
      Sie wußte, daß es nicht gut wäre, ihn hinzulegen. Er schlief immer im Sitzen, den Rücken ganz senkrecht an eine Säule aus Kissen gelehnt. Sie tätschelte seinen Arm und drückte ihm einen Kuß auf die feuchten Wangen. Er befand sich jetzt schon seit einigen Monaten in diesem verwirrten Zustand. Die ersten Anzeichen, daß mit ihm nicht alles in Ordnung war, zeigten sich, als sie eines Abends nach dem Kulissenbau aus dem Theater kam und ihn auf der Straße traf, wo er von Haus zu Haus ging, an die Türen klopfte und den staunenden Bewohnern eine Schaufel glühende Kohlen anbot.
      Gleichzeitig erschreckt und belustigt nahm sie ihn mit nach Hause, schüttete die Kohlen in den Küchenherd und fragte ihn sanft aus, um eine rationale Erklärung für sein Verhalten zu finden. Seitdem war er häufig benebelt oder verwirrt. (Dierdre verwendete immer diese neutralen Begriffe, um die schrecklichen offiziellen Definitionen zu vermeiden. Als eine der Sozialarbeiterinnen aus der Tagesstätte, in der Mr. Tibbs tagsüber versorgt wurde, ihr mit diesem Vokabular gekommen war, hatte Dierdre sie aus Angst und Ärger heraus lauthals beschimpft.)
      Es gab bei ihm zwischendurch immer noch längere Phasen wunderbarer Klarheit. Nur leider ließ sich keine Regelmäßigkeit in ihrem Aufkommen oder Abklingen herausfinden. Der vergangene Sonntag war ein wunderbarer Tag gewesen. Nachmittags hatten sie einen Spaziergang unternommen, und sie konnte ihm alles über Amadeus erzählen, wobei sie die Rolle, die sie innerhalb der Produktion spielte, wie immer etwas übertrieben darstellte, damit er stolz auf sie sein konnte. Abends hatten sie dann ein Glas Portwein getrunken und ein paar klumpige hausgemachte Kuchen verspeist, und er hatte Evergreens gesungen, die er noch aus seiner Kindheit kannte. Als Dierdre geboren wurde, zählte er schon über vierzig Jahre, und daher waren die Lieder sehr alt. »Red Sails in the Sunset«, »Valencia« und »Oh, oh, Antonio«. Er hatte dazu seine Melone aufgesetzt, wirbelte den Spazierstock und war dabei nur noch ein trauriger Schatten von dem Mann, der vor Jahren Dierdre und ihre Mutter so sehr entzückt hatte. Sein Haar war damals noch rotblond gewesen, und sein Schnurrbart hatte geglänzt wie eine neue Roßkastanie. Beide hatten einige Tränen vergossen, bevor sie am vergangenen Sonntag zu Bett gegangen waren.
      Dierdre schritt zum Fenster, um die Vorhänge zuzuziehen, und einen Moment lang stand sie da und schaute zum Himmel. Da standen ein leuchtender Mond und eine Kavalkade aus feinen Wolken. Gabriel, ihr Schutzengel, lebte dort oben. Aber er wandelte auch strahlend und schimmernd auf Erden, nur einen unsterblichen Atemzug entfernt, und warf dabei ein liebendes Auge auf die weltlichen Sorgen der Tibbs’. Als sie noch ein kleines Mädchen war, wirbelte Dierdre zuweilen ganz schnell herum, weil sie hoffte, sie könnte so seine fast vier Meter hohen Schwingen sehen, ehe er sich mit seinem Umhang wieder unsichtbar machen konnte. Einmal war sie sogar ganz fest davon überzeugt gewesen, den Umriß seines goldenen Fußabdrucks gesehen und dann direkt über ihrem Kopf ein Geräusch gehört zu haben, ein schnelles, schlagendes Rauschen, als wären tausend Schwäne an ihr vorbeigeflogen.
      Genauso wie jeder einen Schutzengel hatte, der über ihn wachte, hatte auch jeder einen eigenen Stern. Als sie ihren Vater mal gefragt hatte, welcher denn nun der ihrige sei, hatte er geantwortet: »Das ist immer der Stern, der am hellsten leuchtet.« Heute nacht

Weitere Kostenlose Bücher