Inspector Barnaby 03 - Ein Böses Ende
seines Vorgesetzten, setzte sich und überflog ihn.
»Das darf doch nicht wahr sein.« Er schüttelte den Kopf. »Die haben Mist gebaut.«
»Sehr unwahrscheinlich. Das nennt sich Wissenschaft.«
»Werden Sie das noch mal überprüfen?«
»Sicher.«
»Falls sie sich nicht geirrt haben, was bedeutet es dann für uns?«
»Keine Ahnung.« Wie ein Irrer drückte Barnaby auf die Knöpfe. Man hätte meinen können, er werte das Untersuchungsergebnis als persönliche Beleidigung. »Dann sind wir echt angeschmiert.«
Felicity war aufgestanden, hatte sich angekleidet und saß nun vor dem offenen Fenster ihres Zimmers. Sie trug den Inhalt des Schweinslederkoffers: ein zweiteiliges, mit Mohn- und Wiesenblumen bedrucktes Seidenkostüm von Caroline Charles. Dazu gehörten passende, grasgrüne Wildlederstöckelschuhe von Manolo Blahnik, die vorn spitz zuliefen und die May umgehend in eine Schublade legte. Statt dessen bot sie Felicity ein Paar bequeme Slipper an. Ehe sie ihr die Schuhe anzog, hatte sie Felicitys Füße mit parfümiertem Öl massiert. Die kupferfarbene Haut erinnerte an zerknittertes Pergamentpapier; ihre Knöchel hatten denselben Umfang wie Mays Handgelenke.
»Wir müssen Sie aufpäppeln«, hatte May lächelnd angedroht. »Mit einer Menge frischem Gemüse Und selbstgebackenem Brot.«
»Oh, ich darf kein Brot essen.« Felicity beeilte sich, eine Entschuldigung nachzuschieben. »Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich muß Größe 36 halten.«
»Aus welchem Grund?«
»... nun...« Der Grund war, daß alle von Felicitys Bekannten und Freundinnen Größe 36 hatten. Kaum legten sie etwas Gewicht zu, besuchten sie eine Beauty-Farm und machten eine Diät, bis sie wieder in ihre Klamotten paßten. Aber weil die blühende und kerngesunde May siebenundsiebzig Kilo wog, erschien Felicity diese Erklärung sowohl niederträchtig als auch belanglos. »Keine Ahnung.«
»Sie haben eine sehr lange Reise vor sich, Felicity. Dafür werden Sie jede Hilfe brauchen können, die wir zu geben imstande sind, aber Sie müssen schon auch Ihren Teil dazu beitragen. Momentan sind Sie sehr schwach und können nur wenig tun, aber das wenige muß getan werden. Das ist Ihr Beitrag, wissen Sie?«
»Ja, May.« Die Vorstellung, auch einen Beitrag zu leisten, beunruhigte Felicity. Sie fürchtete, daß ihre Seele, brüchig wie Eis, angesichts dieser Anstrengung Schaden nehmen könnte. In der Klinik, wo sie in einem weich gepolsterten Traum gelebt hatte, war ihr Beitrag rein finanziell gewesen. Vielleicht meinte May genau das. Auf die nervöse Frage, ob dem so war, erhielt sie eine abschlägige Antwort. Felicity nahm all ihren Mut zusammen und fragte, was von ihr erwartet wurde.
»Fürs erste essen Sie ein wenig und ruhen sich aus. Später, wenn Sie zu Kräften gekommen sind, sehen wir weiter.«
Felicity streckte die Hand aus. In diesem Augenblick wurde sie von einer besonders lebhaften Erinnerung heimgesucht. Nach ihrer ersten Entziehungskur war sie zu Guy heimgekehrt und hatte ebenfalls die Hand ausgestreckt, woraufhin er sie als emotionalen Vampir bezeichnet und sich von ihr abgewandt hatte. May hingegen nahm Felicitys Hand zwischen ihre leicht parfümierten Handflächen, küßte sie und drückte sie an ihre Wange. Felicity spürte, wie das gefrorene Blut in ihren Adern auftaute.
»Sie haben hoffentlich nicht noch mehr von diesem gräßlichen Zeug, das Sie die Nase hochziehen?«
»Nein, May.«
»Das ist gut. Der Körper ist der Tempel, der Ihre unsterbliche Seele birgt. Vergessen Sie das nie. Und mißbrauchen Sie ihn nicht. Nun«, sie ließ vorsichtig die Hand los, »muß ich gehen ; und Janet bei der Zubereitung des Mittagessens helfen. Es wird eine wohlschmeckende Suppe geben, von der Sie unbedingt etwas probieren müssen.«
Entgegen ihrem Versprechen, noch einmal das Mittagessen zuzubereiten, war Janet nicht in der Küche. May begann das Gemüse vorzubereiten, schnitt Artischocken und Lauch klein und dünstete alles in Erdnußöl an. Sie warf einen Blick auf das Gewürzregal und fragte sich, welche Geschmacksrichtung Felicity wohl am ehesten zusagte. Die Suppe machte einen ziemlich blassen Eindruck. May überlegte, ob sie Safran zugeben sollte. Bruder Athelstans Kräuterbuch versicherte, daß es »jeden Mann munter machte«, merkte aber auch noch an, daß der norwegische Mystiker Nils Skatredt im Jahre 1462 eine Überdosis Safran zu sich genommen und
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