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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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soviel gezahlt, wie ich für den secrétaire gefordert habe, aber das war auch doppelt soviel, wie er wert ist, also haben wir beide bekommen, was wir wollten. Verdammt unangenehm für ihn jetzt.» Sie hielt das Metallkreuz hoch. «Wissen Sie, was das ist, Superintendent?»
    «Das Viktoria-Kreuz.»
    Sie ließ es fallen. «Gehörte Gerry. Warten Sie, ich hole rasch ein Foto von ihm vom Schreibtisch –»
    Jury war erst halb vom Stuhl hoch, da stand sie schon und bewegte sich schnell und bestimmt auf ihr Ziel zu. Sie bewegt sich überhaupt schnell und bestimmt, dachte Jury. Wenn das hier die kranke Lady Summerston ist, dann konnte einen die gesunde gewiß das Fürchten lehren.
    Ihre Stimme eilte ihr voraus, als sie mit dem Foto zurückkehrte. Sie konnte offenbar Gedanken lesen, denn sie sagte: «Gewiß hat Crick Ihnen erzählt, daß ich es am Herzen, an der Lunge und an der Leber habe. Letzteres könnte stimmen, das andere aber nicht. Auf der Kommode steht eine Karaffe mit Whisky. Ob Sie die bitte holen würden? Und –» rief sie hinter ihm her – «bringen Sie das Zahnputzglas aus dem Badezimmer mit.»
    Während Jury das verdunkelte Zimmer absuchte, in dem es sehr altmodisch und modrig nach Möbelpolitur mit Zitrone, Granatäpfeln und Moschus duftete, plätscherte Lady Summerstons Redefluß dahin. Was er davon mitbekam, handelte größtenteils von Lord Summerstons Erlebnissen in Frankreich. Nach einem flüchtigen Blick auf das Foto zu schließen, mußte ihr Mann mit medaillengeschmückter Brust aus dem Zweiten Weltkrieg heimgekommen sein. Endlich fand er die Karaffe – im Zimmer stand mehr als nur eine Kommode – auf einem Tablett mit dem Bild einer farbenprächtig gewandeten balinesischen Tänzerin. Das Tablett versperrte fast völlig den Blick auf eine Sammlung von Zinnsoldaten, von denen sich die vorderen im Kreis hingekniet und das Bajonett aufgepflanzt hatten; die dahinter waren hoch zu Roß und schienen das Karaffen-Fort gegen Eindringlinge zu verteidigen. Da standen fast ein ganzer Zug der Royal Field Artillery, Reihen von Zulu-Kriegern, die Royal Home Artillery, sudanesische Soldaten, Beduinen. Auf dieser Kommode wurden alle nur möglichen Kriege geführt. Für eine solche Sammlung hätte er als Junge sein Herzblut gegeben; und so stand er da und betrachtete sie, und ihm fiel der Laden auf der Fulham Road und ihre Wohnung dort ein …
    «Was treiben Sie bloß da drinnen?»
    Jury riß sich von den Erinnerungen an die Fulham Road und von den Ruhmesträumen seiner Knabenzeit los und nahm das Tablett. Darauf stand ein einziges, sehr dünnes Kristallglas. Das andere Glas holte er aus dem Badezimmer. «Ich habe mir die Sammlung Modellsoldaten angesehen», sagte Jury und setzte das Tablett inmitten der Alben und Spielkarten ab.
    «Damit haben Sie sich aber wirklich Zeit gelassen. Hannah mag sie sehr. Vor allem die Beduinen. Aber Schluß für heute!» Sie packte die Karten in die Schachtel, lehnte sich zurück und holte tief Luft, erleichtert wie jemand, der eine verhaßte Arbeit hinter sich gebracht hat. «Ich nehme das Zahnputzglas; Sie kriegen das gute.»
    «Möchten Sie Wasser dazu?»
    Sie verdrehte die Augen. «Wenn Gerry und ich getrunken haben, Superintendent, dann aber richtig.» Sie nahm ihr Glas aus Jurys Hand entgegen.
    Er lächelte. Nach dem Staub auf der Karaffe zu schließen, hatte sie seit Gerrys Tod wohl keinen Tropfen mehr angerührt. Er unterbrach sich im Einschenken seines eigenen Glases, denn ihm war auf einmal traurig zumute. Damit lag er wahrscheinlich nicht ganz falsch.
    Sie hob das Glas und blickte die triptychonartig aufgestellten Fotos von Gerald Summerston an. Sie prostete ihm zu, und Jury schloß sich an. Der Summerston zur Linken hätte leicht der Dritte im Bunde sein können. Er saß, mit einem Glas in der Hand, die langen Beine ausgestreckt, in demselben Stuhl irgendwo auf dem Rasen. Das Foto zur Rechten schien auf den ersten Blick eine völlig andere Person darzustellen; bis man den eher dümmlichen als seriösen Gesichtsausdruck bemerkte, geradeso als wäre die medaillengeschmückte Uniform zu schwer zu tragen. Das Foto in der Mitte war ergreifend; es zeigte den Heranwachsenden, und der unsichere Gesichtsausdruck verriet die Probleme eines Jugendlichen.
    «Wieso setzt man übrigens Scotland Yard auf den Fall an? Es sei denn, Simon hätte die Finger in internationalen Geschäften gehabt, was mich absolut nicht wundern würde. Rauschgift, gefälschte Dokumente, moderner

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