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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Sklavenhandel, dieser komische, juwelengeschmückte Malteserfalke. Ach nein, dafür dürfte Interpol zuständig sein. Ist der Mord denn nicht Sache der hiesigen Polizei?»
    «Ich war zufällig zugegen.» Jury blickte zum friedlichen Blau des Himmels hoch, den kein Wölkchen trübte. «Lady Summerston, Sie haben eine ausschweifende Phantasie.»
    «Die brauchte ich auch, mit jemandem wie Simon im Haus.»
    «Er muß mehr als ein gerüttelt Maß an Feinden gehabt haben.»
    «Maßlos viele, um es genau zu sagen.»
    «Zum Beispiel?»
    «Danach müssen Sie Hannah fragen. Ich bin Simon immer aus dem Weg gegangen. Ich wollte lieber nicht über seine Heldentaten Bescheid wissen.» Sie raschelte wieder in den Karten herum. Jury überlegte, ob sie deshalb so blinzelte, wenn sie sie ansah und die Briefmarken deshalb so aufklatschen mußte, weil sie zu eitel war, eine Brille aufzusetzen. «Gerry war absolut gegen die Heirat. Der Mann hatte eine Kaserne nicht mal von weitem gesehen –»
    Hier konnte Jury nicht anders, er mußte lachen. «Da hat er auch nicht viel verpaßt.»
    Sie blickte auf und warf ihm einen scharfen Blick zu. «Und die Falkland-Krise, Mr. Jury?»
    «Nun, wir wollen den Krieg doch nicht hier auf dem Balkon austragen. Viel zu angenehm hier.»
    Sie beugte sich zu ihm und blinzelte dabei schon wieder. Dann aber mußte die Neugierde wohl über die Eitelkeit gesiegt haben, denn sie zog unter den üppigen Stoffmassen ein Etui mit einer Brille hervor. Sie warf ihm einen Blick durch die randlosen Gläser zu und sagte: «Sind Sie verheiratet? Vermutlich. Wie alle gutaussehenden Männer.»
    Jury lächelte, schüttelte den Kopf und wechselte das Thema. «Ich habe gehört, daß Mr. Lean eine Weile in einem Verlag gearbeitet hat.»
    «Gerry war der Meinung, er sollte etwas zu tun haben. Das machte es für Hannah weniger peinlich, obwohl er für Bennick nicht gerade eine reine Freude sein würde. Gerry besaß dort ein großes Aktienpaket, und man muß zugeben, sogar Simon konnte lesen. Er hat in der Buchhaltung gearbeitet; der beste Platz, glaube ich, wenn man Bücher frisieren will.»
    «Hatten die beiden Freunde hier? In Long Piddleton oder Northampton?»
    Sie grinste. «Simon hatte überall ‹Freunde›, unterschiedlichen Geschlechts. Hannah nicht. Sie fährt zur Bücherei nach Northampton, um eine Ladung Bücher gegen die nächste zu tauschen. Oder zu einer der Buchhandlungen. Sie ist eine Leseratte. Er – so ist mir gerüchteweise zu Ohren gekommen – hatte was mit ein paar Frauen hier aus der Gegend. Die Sorte, die ich kaum kennen dürfte, aber ich habe ihn ein, zwei davon erwähnen hören. Es hat keinen Zweck –» Sie warf einen Blick auf Jurys kleines Notizbuch. «Ich habe nie richtig zugehört, wenn Simon den Mund aufmachte. Es sei denn, es ging um Geld. Da alles Geld, von dem die Rede war, entweder mir oder Hannah gehörte, mußte man Augen und Ohren offenhalten.»
    «Hat Ihre Abneigung Ihrer Enkeltochter nicht das Leben schwergemacht?»
    «Als sie ihn heiratete, wußte sie, daß wir beide dagegen waren. Obwohl Gerry sie nie enterbt hätte; er war nicht gemein, und melodramatisch auch nicht.»
    Jury blickte zum See hinüber und sah die Gestalt einer Frau am Ufer stehen. Sie kehrte ihnen den Rücken zu. «Ist das Ihre Enkeltochter?»
    Ihre Augen folgten seinem Blick, und schon wieder blinzelte sie. «Ja, ich glaube schon.» Sie schaute nicht einmal in die richtige Richtung. Aber sie war zu eitel, als daß sie zugegeben hätte, daß sie nicht sehen konnte.
    «Ich würde mich gern mit ihr unterhalten.» Jury stand auf.
    «Sie hat ein stählernes Rückgrat, das Mädchen. Ist erst ein paar Stunden her, daß dieser Polizist hier war. Aber Hannah war schon immer ein Muster an Haltung. Spielen Sie Poker?» Wieder mischte sie geschickt die Karten.
    «Nicht sehr gut.»
    «Aber ich. Kommen Sie wieder, und bringen Sie Geld mit.»

10
    A LS J URY ÜBER DEN R ASEN auf sie zuging, machte sie auf ihn den Eindruck eines gewöhnlichen Mädchens, das sich in Kleider kuschelt, die ihm zu groß sind, so als habe man es in die Sachen seiner Mutter gesteckt. Der übergroße Pullover mochte heutzutage als modisch salopp durchgehen. Sie machte jedoch nicht den Eindruck, als hätte sie mit Mode viel im Sinn. Knochige Handgelenke ragten aus Ärmeln hervor, die sie immer wieder hochschob und die sofort wieder zurückrutschten. Der Rock war zu lang, der Saum zipfelte, als säße das Taillenband schief. Ihr Körper war eckig und bewegte sich

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