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Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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weiß nicht, ob meine Vermutungen zutreffen.» Er verschwieg, daß er es nicht erklären wollte, weil er sich auch über Marshs Rolle noch nicht sicher war.
    «Sie machen aus einer Mücke einen – he, Kath, verschwinde.»
    Kath hatte sich zwischen sie gedrängelt. «So ’ne wie du, die wer’n gefeuert, wenn ich erst mal in ’nen Gemeinderat bin.»
    «Dich bring ich eines Tages noch wegen Ruhestörung hinter Gitter, Kath.»
    «Ha! Hört ihr das, hört ihr das? Du mich hinter Gitter bringen? Halt lieber die Schnauze, ich weiß nämlich ’ne Menge über dich – Molloy .» Sie schnappte sich das Glas, das er ihr hinschob, zwinkerte Jury zu und sagte: «Frag’n Se den doch mal, was er ’n ganzen Tag aufm Limehouse Causeway in sei’m Auto zu suchen hat? Da, Jungchen, und das Wähln nich vergessn.» Sie schob Roy einige Flugblätter hin, doch der ließ sie zu Boden flattern.
    Jury musterte ihn und suchte den Raum nach einem Tisch ab. «Setzen wir uns doch für einen Augenblick.»
    «Ich habe noch zu tun.»
    «Einen Augenblick.»
    Sie fanden einen Tisch in einer Ecke bei der Jukebox. Der Pub war nur halb voll, und daher war es relativ ruhig.
    «Ist nie ein großes Geheimnis gewesen, Sie und Ruby, was?» Roy schwieg hartnäckig und schaffte es, im Sitzen immer noch so auszusehen, als stünde er. Jury sagte: «Den hier haben Sie doch sicher nicht leiden können, was?» Er schob ihm das Foto von Hannah und Simon Lean hin.
    Daß eine so leise Stimme so scharf klingen konnte! «Wehe, Sie ziehen sie da mit rein.» Eine Mischung aus Zischen und Flüstern.
    «Wird sich wohl kaum vermeiden lassen.»
    «Ich wäre nie drauf gekommen. Ich stehe der Polizei jederzeit für Fragen zur Verfügung.» Er betrachtete das Foto noch einmal. «Woher hat er denn Sadie Diver gekannt?»
    «Das ist der Punkt, Roy. Die Frau da ist nicht Sadie Diver. Es ist seine Frau Hannah.» Jury steckte das Foto wieder ein, trank einen Schluck Bier und sah, wie Roys Miene von Zorn zu Ungläubigkeit wechselte und dann wieder zu der steinernen Maske, hinter der er gewöhnlich seine Gefühle verbarg.
    Der Sergeant stand auf und sagte: «Die Autopsie ist für heute abend zehn Uhr angesetzt.»
     
    Jury blieb noch einen Augenblick in der Ecke sitzen, die Musik aus der Jukebox bekam er nur von weitem mit. Die warme Stimme von Linda Ronstadt hatte die austauschbaren Dröhngruppen ersetzt. Er blickte durch den Rauchschleier zu dem Alkoven hin, wo Tommy jetzt mit den Kartenspielern am Tisch stand, und fragte sich, ob der Junge wirklich an den Tod seiner Schwester glaubte. Ein Teil seines Verstandes mochte ihn akzeptieren, der andere jedoch nicht. Als er Tommy im «Rubinroten Drachen» zugehört hatte, da war er überzeugt gewesen, daß Tommy seine Schwester nicht wiedererkannt hätte, nicht etwa, weil er sie die ganzen letzten Jahre nicht gesehen, sondern weil er sie nicht richtig gekannt hatte. Ob seine Schwester und Simon Lean wohl damit gerechnet hatten, falls eine solche Frage jemals gestellt würde …
    Das war es, was Jury keine Ruhe ließ. Daß Simon Lean gründlich vorgegangen war, daß er damit gerechnet hatte, jemand könnte ihnen auf die Schliche kommen. Lean hatte Vorkehrungen getroffen für den Fall, daß der Mord an Sadie Diver auch seine Vernehmung durch der Polizei nach sich ziehen würde …
    Aber natürlich hätte die Frau auf Watermeadows ihm ein Alibi verschafft. Hannah Lean. Er zündete sich eine Zigarette an, ließ aber das Streichholz bis auf die Fingerspitzen herunterbrennen, so zornig war er auf einmal. Dann warf er es in den Zinnaschenbecher und wandte seine Aufmerksamkeit der jetzt seelenvollen Musik zu. Die Sängerin erging sich in wehmütigen Erinnerungen an Fischerboote auf dem Bayou. Er versuchte, Tommy durch die Nebelwand aus Rauch auszumachen. Sieben Uhr, sie mußten los. Der Kopf tat ihm höllisch weh, und er überlegte, ob Wiggins wohl ein Aspirin hatte.
    «… spare Pfennige, spare Groschen …»
    Jury preßte seine Handballen an die Schläfen und dachte, daß sich Sadie Diver nun nicht mehr ums Sparen sorgen mußte. Als er aufblickte, sah er Alf zur Tür staksen; Wiggins folgte ihm auf dem Fuß, hielt ihn am Jackenärmel fest und sagte höflich: «Bleiben Sie bitte noch ein bißchen, Sir.»
    Ganz außer sich blickte Alf von Jury zu Wiggins und dann zur Tür, durch die Roy Marsh verschwunden war. «Hat mich verpfiffen, was? Der Bulle da, was? Hat rumgetratscht? Als ob ich nich gesehn hätte, wie ihr beide den Kopf

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