Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspector Jury besucht alte Damen

Inspector Jury besucht alte Damen

Titel: Inspector Jury besucht alte Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
Vom Netzwerk:
«Ihr Bruder, wa? Hab mich schon gefragt, wieso er mir so bekannt vorkommt. Schlimm für den Jungen, wa?»
    «Ganz schön schlimm, ja. Er fährt bald nach Haus.»
    Jack Krael fing Tommys Blick auf. «Du bist also nich von hier, Junge, wa?»
    «Nein, von Gravesend.»
    Krael lächelte, wie er es nur alle Jubeljahre zustande brachte. «Gravesend, ach nee. Hab da früher mal ’nen Schlepper gefahren. Verstehste was von Schiffe?»
    Tommy schaffte es, ganz wichtig zu tun, was schwierig ist, wenn man gerade Zitronensaft durch einen Strohhalm trinkt. «Könnte man so sagen.»
    «Dann hock dich her –» Und Krael klatschte auf den Barstuhl neben sich.
    Jury reichte Wiggins das Foto von den Leans und das von Sadie Diver und bedeutete ihm, damit bei den Stammgästen die Runde zu machen.
    Wiggins betrachtete das Bild stirnrunzelnd. «Aber Sir, Sie haben doch gesagt, die ist in Northants.»
    « Jemand ist in Northants. Aber nicht unbedingt Hannah Lean.»
     
    Menschen kamen herein, holten sich Drinks von der Bar und machten es sich gemütlich, um den Tag, der gerade vergangen war, noch einmal an sich vorbeiziehen zu lassen. Zumindest stellte sich Jury das so vor, während er zusah, wie ein dürrer Mann Münzen in die Jukebox warf und ein paar Tasten drückte. Hier im «Engel» betrachtete Jury zuweilen die Gesichter, die er schon unzählige Male gesehen hatte, und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß zwischen den Pub besuchen die Zeit einfach stehenblieb. Die Leute verschwanden, kehrten zurück und verschwanden aufs neue.
    Roy Marsh kam mit einem braunen Umschlag unter dem Arm herein und erweckte den Eindruck, daß die Welt nicht ein Quentchen schlechter dran wäre, wenn alle hier auf Nimmerwiedersehen verschwänden.
    «Was ist los, Jury? Was tut der Junge hier?» Er deutete mit dem Kopf nach hinten ins Lokal. Seine sanfte Stimme klang so scharf, daß sie sogar den dröhnenden «Mackie Messer» aus der Jukebox übertönte.
    «Dem geht’s gut», sagte Jury friedlich.
    «Ich habe ganz und gar nicht gefragt, ob es ihm gutgeht. Ich bin bei Ruby vorbeigegangen, aber da war kein Mensch zu Hause. Ich bin für ihn verantwortlich, Jury. Seine Verwandten warten darauf, daß sie ihn nach Gravesend mitnehmen können.»
    Molloy schob Jurys Bier über den Tresen, blickte Roy Marsh fragend an, bekam als Antwort einen sengenden Blick und wie sehe eiligst davon.
    «Die können warten. Ist das für mich?» Jury öffnete den Briefumschlag und zog die Fotos des Polizeifotografen heraus.
    Roy rückte etwas heran, Jury auf die Pelle. Seine Stimme war leise und schwer wie der Zementsack, der in Bobbys Lied versank. «Ihr Sergeant hat gesagt, Sie wollen bei der Autopsie dabeisein. Und nicht nur das, sie soll auch noch heute abend stattfinden. Sie wollen einen Zahnbefund von früher haben, Sie wollen dies, Sie wollen das. Jury, das ist nicht Ihr Fall; dafür ist die Themse-Division zuständig. Ein glasklarer Fall von Mord, und ich glaube, wir kommen damit allein zu Rande.»
    Jury musterte ein Foto von der Toten. «Ich hatte mir eingebildet, der Fall läge auf der Straße; Sie und Ballinger schienen sich nicht schlüssig zu sein, ob er nun in die Zuständigkeit der Flußpolizei, der Mordkommission oder der Hafenbehörde fällt. Und von glasklar kann gar keine Rede sein.» Jury deutete mit einem Kopfnicken zur Jukebox. «Wie der Zementsack, der da versinkt.»
    Marsh runzelte die Stirn. «Was zum Teufel meinen Sie?»
    Jury schob die Fotos zurück in den Umschlag und kniffte die Klappe zu. «Hören Sie, Roy. Normalerweise lassen Mörder Leichen nicht auf Slipanlagen herumliegen, wo sie mit Sicherheit gefunden werden – und diese ist, nicht zu vergessen, direkt bei einem Pub. Sie werfen sie schlicht in den Fluß, wo die Flut sie mitnimmt –»
    «Leichen kommen wieder hoch.»
    «Man kann sie beschweren. Und wenn der Mörder noch so in Eile war, was hat er schon davon, daß er sie auf der Slipanlage liegenläßt.» Jury blickte Marsh an. «Meiner Meinung nach wollte der Mörder, daß sie gefunden wird. Hätte er sie in den Fluß geworfen, wäre er nicht sicher gewesen, ob und in welchem Zustand sie wieder herausgezogen worden wäre.»
    «Wie bitte?»
    «Er wollte sichergehen, daß die Frau als tot galt. Zum Beispiel, weil sie reich war. Zum Beispiel, um ein Vermögen in die Finger zu kriegen.»
    «Das Beispiel sagt mir einen Scheißdreck.»
    «Tut mir leid. Ich würde es Ihnen ja erklären, aber ich bin mir meiner Sache noch nicht sicher. Ich

Weitere Kostenlose Bücher