Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
wollte.
»Nicht? Er hat es Ihnen nie gesagt?«
»Nie.«
»Aber über Bible John hat er geredet?«
»Ja.«
»Wissen Sie, das ist alles ein bisschen vage...« Ancram griff in eine Schublade, legte zwei weitere aus den Nähten platzende Akten auf den Schreibtisch. »Hier habe ich Geddes' Personalakte und Berichte. Dazu einiges aus den Ermittlungen zum Bible-John-Fall, einzelne Dinge, an denen er beteiligt war. Offenbar war er davon besessen.« Ancram öffnete eine Akte, blätterte müßig darin herum, sah dann Rebus an. »Kommt Ihnen das bekannt vor?«
»Sie sagen, er war von Lenny Spaven besessen?«
»Ich weiß , dass er das war.« Ancram ließ das einen Augenblick einwirken, nickte dabei. »Ich weiß es aus Gesprächen mit damals aktiven Beamten, aber vor allem weiß ich es wegen Bible John.«
Der Dreckskerl hatte Rebus an der Angel. Und sie hatten erst vor zwanzig Minuten begonnen. Rebus schlug die Beine übereinander, bemühte sich, einen unbeteiligten Eindruck zu machen. Sein Gesicht war so angespannt, dass er befürchtete, man könnte die Muskeln unter der Haut erkennen.
»Geddes«, fuhr Ancram fort, »versuchte, Spaven in den Bible-John-Fall hineinzuziehen. Sicher, die Notizen sind unvollständig. Entweder sie wurden vernichtet oder gingen verloren, oder aber Geddes und sein Vorgesetzter haben damals nicht alles dokumentiert. Aber Geddes hatte es auf Spaven abgesehen, daran besteht kein Zweifel. In einer der Akten habe ich ein paar alte Fotos gefunden. Darauf ist Spaven zu sehen.« Ancram hielt die Fotos hoch. »Sie stammen aus dem Borneo-Feldzug. Geddes und Spaven dienten bei den Scots Guards. Meine Vermutung ist, dass dort irgendetwas passierte und Geddes von da an Spaven an den Kragen wollte. Wie klingt das bis jetzt?«
»Wie eine ganz nette Möglichkeit, die Zeit bis zur Zigarettenpause totzuschlagen. Kann ich diese Fotos sehen?« Ancram zuckte die Achseln und reichte sie ihm. Rebus ging sie durch. Alte Schwarzweißabzüge mit gezacktem Rand, ein paar davon nicht größer als dreieinhalb mal fünf Zentimeter, der Rest zehn mal fünfzehn. Rebus erkannte Spaven sofort, das Raubtiergrinsen, das ihn schlagartig in die Vergangenheit zurückversetzte. Auf den Fotos war ein Geistlicher zu erkennen, Uniform und Priesterkragen. Weitere Männer in Positur, in sackweiten Shorts und Kniestrümpfen, die Gesichter schweißglänzend, den Blick fast ängstlich. Ein paar Gesichter waren unscharf; Rebus konnte in keinem von ihnen Lawson Geddes erkennen. Lauter Außenaufnahmen; im Hintergrund Bambushütten, einmal ragte die Schnauze eines alten Jeeps ins Bild. Er drehte sie um, las »Borneo, 1965« und ein paar Namen.
»Gehörten die Lawson Geddes?«, fragte Rebus, als er die Bilder zurückgab.
»Ich habe keine Ahnung. Die lagen bei dem ganzen Bible-John-Plunder.« Ancram legte sie in die Akte zurück, zählte sie dabei durch.
»Sind noch alle da«, war Rebus' Kommentar. Ein Stuhl scharrte auf dem Fußboden: Jack Morton sah nach, ob die Kassette umgedreht werden musste.
»So«, sagte Ancram. »Wir haben Geddes und Spaven, die zusammen bei den Scots Guards dienten; wir haben Geddes, der im Zusammenhang mit dem Bible-John-Fall Jagd auf Spaven macht und von den Ermittlungen ausgeschlossen wird; dann spulen wir ein paar Jahre vor, und was haben wir da? Geddes, der weiterhin Jagd auf Spaven macht, aber diesmal wegen des Mordes an Elizabeth Rhind, und wieder mit einem Arschtritt hinausbefördert wird.«
»Es steht fest, dass Spaven das Opfer kannte.«
»Keine Frage, Inspector.« Pause: vier Schläge. »Sie kannten eines der Johnny-Bible-Opfer - folgt daraus, dass Sie es ermordet haben?«
»Finden Sie ihre Halskette in meiner Wohnung, und fragen Sie mich dann noch mal.«
»Tjaaa... hier wird's nämlich interessant, nicht?«
»Na, ist doch schön.«
»Kennen Sie das wohlklingende englische Wort serendipity?«
»Ich schmücke gern meine Konversation damit.«
»Wörterbuchdefinition: >Die Gabe, durch Zufall glückliche Entdeckungen zu machen.‹ Nützliches Wort.«
»Absolut.«
»Und Lawson Geddes besaß diese Gabe, richtig? Ich meine, da bekommt man einen anonymen Tipp wegen einer Lieferung gestohlener Radiowecker. Latscht man also zu einer Garage, ohne Durchsuchungsbefehl, ohne irgendetwas, und was findet man da? Leonard Spaven, die Radiowecker und einen Hut sowie eine Umhängetasche - beides aus dem Besitz des Mordopfers. Das würde ich als einen sehr glücklichen Zufallsfund bezeichnen. Bloß, dass es kein
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