Inspector Rebus 08 - Das Souvenir des Mörders
sah aber fünfzehn Jahre älter aus. Er hatte schon die meisten gängigen Drogen durch: Horse, Speed, Crack. Jetzt war er auf Methadon. Zugedröhnt war er ein kleineres Problem, lediglich nervig; nüchtern taugte er nur für die Gummizelle. Völlig übergeschnappt.
»Was man so hört, sind Sie eh am Arsch«, sagte er jetzt.
Rebus trat einen Schritt näher. »Stimmt, Macke. Also frag dich selbst: Was habe ich zu verlieren? Wenn ich am Arsch bin, kann ich genauso gut Nägel mit Köpfen machen.«
Minto hob die Hände. »Nur die Ruhe, Mann. Was haben Sie für ein Problem?«
Rebus entspannte sein Gesicht. »Du bist mein Problem, Macke. Pisst einem Kollegen von mir ans Bein.«
»Er hat mich zusammengeschlagen.«
Rebus schüttelte den Kopf. »Ich war dabei, hab nix gesehen. Ich war mit einer Nachricht für DS Holmes reingeschickt worden. Ich bin dageblieben. Wenn er also auf dich losgegangen wäre, hätte ich's ja wohl mitgekriegt, oder?«
Sie standen sich schweigend gegenüber. Dann wandte sich Minto ab und ließ sich in den einzigen Sessel des Zimmers plumpsen. Er sah so aus, als wollte er eine Runde schmollen. Rebus bückte sich und hob etwas vom Fußboden auf. Es war der vom Fremdenverkehrsamt herausgegebene Zimmernachweis.
»Bisschen blau machen?« Er blätterte rasch die Listen von Hotels, Pensionen, möblierten Zimmern durch. Dann hielt er die Broschüre in die Höhe. »Ein Bruch an einer dieser Adressen, und du bist der Erste, dem wir einen Besuch abstatten.«
»Schikane«, sagte Minto, aber leise.
Rebus ließ die Broschüre fallen. Jetzt sah Macken-Minto gar nicht mehr so verrückt aus, eher völlig erledigt, so als hätte sich das Leben in einen der Boxhandschuhe ein Hufeisen gesteckt. Rebus wandte sich ab. Er durchquerte den Flur und griff schon nach der Klinke der Wohnungstür, als Minto seinen Namen rief. Der kleine Mann stand am anderen Ende des Flurs, keine vier Meter von ihm entfernt. Er hatte sich sein ausgeleiertes T-Shirt bis zu den Schultern hochgezogen. Nachdem er ihm die Vorderseite gezeigt hatte, drehte er sich um und führte Rebus die Rückenpartie vor. Die Beleuchtung war dürftig - eine Vierzig- Watt-Birne unter einem fliegenschisstrüben Schirm -, aber Rebus sah es auch so. Tattoos, dachte er im ersten Moment. Aber es waren Blutergüsse: an den Rippen, Seiten, Nieren. Selbst zugefügt? Vielleicht. Das war immer möglich. Minto ließ das T-Shirt herunterfallen und starrte Rebus an. Der öffnete die Tür und verließ die Wohnung.
»Alles in Ordnung?«, fragte Holmes nervös.
»Die Story lautet: Ich bin mit einer Nachricht reingekommen. Ich war während des ganzen Verhörs dabei.« Holmes atmete geräuschvoll aus. »Das war's also?«
»Das war's.«
Vielleicht war es der Ton seiner Stimme, der Holmes aufmerken ließ. Er begegnete John Rebus' starrem Blick und sah als Erster weg. Draußen streckte er die Hand aus und sagte: »Danke.«
Aber Rebus hatte sich schon umgedreht und entfernte sich.
Er fuhr durch die Straßen der leeren Hauptstadt, links und rechts von Wohneigentum im sechsstelligen Preisbereich flankiert. Heutzutage kostete es ein Vermögen, in Edinburgh zu wohnen. Er versuchte, nicht daran zu denken, was er getan, was Brian Holmes getan hatte. In seinem Kopf der Kommentar der Pet Shop Boys: »It's a Sin.« Überleitung zu Miles Davis: »So what?«
Er fuhr in die ungefähre Richtung von Craigmillar, überlegte es sich dann aber anders. Er würde stattdessen nach Hause fahren und darum beten, dass draußen keine Reporter kampierten. Wenn er nach Haus ging, nahm er die Nacht mit, musste sie sich dann ablaugen und abschrubben und fühlte sich dabei wie ein alter Pflasterstein, auf dem Tag für Tag herumgetrampelt wurde. Manchmal war es einfacher, auf der Straße zu bleiben oder auf der Wache zu schlafen. Manchmal gondelte er die ganze Nacht herum - nicht nur durch Edinburgh: runter nach Leith und an den Nutten und Strichern vorbei, den Hafen entlang, gelegentlich bis nach South Queensferry und dann rauf zur Forth Bridge, die M90 entlang durch Fife, an Perth vorbei, bis rauf nach Dundee, wo er meist, mittlerweile müde, wendete und zurückfuhr oder, wenn nötig, am Straßenrand hielt und im Auto schlief. Es brauchte alles seine Zeit.
Er erinnerte sich, dass er in einem Dienstwagen saß, nicht in seinem eigenen. Wenn sie die Karre brauchten, dann konnten sie sie sich ja holen. Als er Marchmont erreichte, war auf der Arden Street kein Parkplatz zu finden; und so hielt er
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