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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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nur, bis ich dem guten alten Jonathan alles erzählt habe.» Harveys Gesicht nahm einen ungewöhnlich finsteren Ausdruck an. «Er kommt heute nachmittag. Mit der Concorde.»
    «Jonathan scheint eine Menge in der Hinterhand zu haben.» Auf Harveys fragenden Blick fügte er hinzu: «Geld.»
    «Ja. Nun, das Geld hatten die Alten.» Harveys Gesicht hellte sich wieder etwas auf, und er sagte: «Aber Sie haben auch genug davon und obendrein einen Adelstitel. Hören Sie, wollen Sie nicht mit uns zu Abend essen?»
    Melrose war neugierig genug, um einzuwilligen. «Sie mögen Ihren Bruder nicht besonders, stimmt’s?»
    «Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Aber zurück zu Shakespeare und Marlowe. Ich habe Ihnen ja gesagt, daß die Geschichte sich in einem Wort zusammenfassen läßt.»
    Melrose musterte ihn düster; er hätte sich auf die Zunge beißen können, aber es entfuhr ihm trotzdem: «Und das wäre?»
    «Reue. Der gute Billy wußte sehr wohl, was er getan hatte, das ist alles.» Vergnügt leerte Harvey sein Glas.
    «Ich hoffe , daß das alles ist.» Melrose besann sich auf seine Kinderstube. «Ist Ihnen bewußt, daß wir hier sitzen und über den Mord an Marlowe sprechen, wo wir uns über sehr viel naheliegendere Morde unterhalten könnten?» Er sah Harvey an, der gerade seinen Ishi verstaute. «Was meinen Sie? Zu denen haben Sie doch bestimmt auch eine Theorie.»
    Harvey zuckte die Achseln. «Irgendein Verrückter. Wer sonst?»
    «Einer von Ihnen.»
    Harvey starrte ihn an.
    Jetzt war die Reihe an Melrose, vergnügt sein Bier hinunterzukippen.

24
    «Honeycutt», sagte Wiggins, «ist im ‹Salisbury Pub›.»
    «Im ‹Salisbury›. Der verschwendet wirklich keine Zeit. Kommen Sie, wir werden ihm Gesellschaft leisten.»
     
    Der Ford stand scheinbar ewig in einem Stau am Piccadilly Circus. Doch selbst eine grüne Welle hätte ihnen hier wenig genützt, denn allen Verkehrsregeln und sogar der besseren Einsicht zum Trotz, daß schweres Metall den menschlichen Körper übel zurichten kann, versuchten die Fußgänger in Massen, sich einen Weg über die Straße zu bahnen. Man konnte es ihnen aber kaum verübeln, weil die Autos es ihnen gleichtaten, so als hätten alle samt und sonders gewettet, wer als erster oder als letzter über die Ampel kam, bevor sie umsprang.
    «Warum stellen sie nicht einfach die verfluchten Ampeln ab und geben uns freie Hand?» sagte Wiggins und fuhr an drei Damen mittleren Alters heran, die offensichtlich nicht wußten oder wissen wollten, wie nahe sie der Stoßstange waren. Wie üblich belagerten Büroangestellte und Taubenscharen den Sockel der Eros-Statue, um dort ihre Mittagspause zu verbringen.
    «Von Farraday einmal abgesehen, sind wir, was die anderen betrifft, einem Motiv keinen Deut nähergekommen. Er könnte Amelia aus Eifersucht getötet haben. Grund genug hatte er ja, weiß Gott. Er könnte doch seine äußerst verführerische Stieftochter ermordet haben, obwohl das nicht gerade plausibel scheint –»
    «Was ist denn mit dieser Penny? Die haßte doch beide.» Schließlich war es Wiggins gelungen, in der Shaftesbury Avenue abzubiegen, wo er nach einem Parkplatz Ausschau hielt.
    «Nein», sagte Jury in einem Ton, der Wiggins abrupt zur Seite blicken ließ. «Das halte ich für ausgeschlossen. Sie ist erst fünfzehn.»
    Wiggins, der in einer Seitenstraße in der Nähe des «Salisbury» den Ford auf dem Bürgersteig parkte, schnalzte mit der Zunge. «Erst fünfzehn. Ich hätte nie geglaubt, so etwas aus Ihrem Mund zu hören, Sir. Sie scheinen langsam etwas gefühlsduselig zu werden.»
    «Ich und Attila der Hunne», sagte Jury und kletterte aus dem Wagen. «Doch das erklärt nicht den Mord an Gwendolyn Bracegirdle.»
     
    «Warum die alle Rollkragen so gern mögen?» fragte Wiggins, als sie im «Salisbury» waren, in dem wie immer um die Mittagszeit dichtes Gedränge herrschte. Obwohl das Publikum sehr gemischt war, hatte das «Salisbury» schon seit geraumer Zeit den Ruf, ein Treffpunkt der Londoner Schwulenszene zu sein.
    Wiggins hatte recht; fünfzig Prozent der Gäste trugen Rollkragenpullover. Genau wie der junge Mann, der an Valentine Honeycutts Tisch saß. Honeycutt hatte tatsächlich keine Zeit verschwendet. Als Jury und Wiggins an seinen Tisch traten, blickte er auf und zog die Hand vom Knie seines Freundes. Der Freund, in engen Jeans und Rollkragenpullover, wandte sich den Neuankömmlingen interessiert zu. Honeycutt schien sein Interesse nicht zu teilen.
    «O nein», seufzte

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