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Inspektor Jury küsst die Muse

Inspektor Jury küsst die Muse

Titel: Inspektor Jury küsst die Muse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Notizbuch. Der samtige Schaum in seinem Bierglas brodelte.
    «Haben Sie gestern abend noch einen der Reiseteilnehmer gesehen? Oder haben Sie auch gestern abend Ihre Politik des Laissez-faire praktiziert?» fragte Jury.
    «Ich habe ein paar gesehen, ja. Aber wenn Sie genau wissen wollen, wann und wo wer war, dann fragen Sie am besten Cholmondeley.» In seiner Stimme schwang so viel Triumph mit, als hätte er das Huhn, das goldene Eier legt, gefunden.
    «Wie kommen Sie darauf?»
    «Weil er sich mit Amelia verabredet hatte, darum. Später am Abend.» Honeycutt zündete sich eine Zigarette an.
    «Woher wissen Sie das?»
    «Woher? Weil er es mir gesagt hat.»
    Jury legte seine Gabel hin. «Merkwürdig. Er macht nicht den Eindruck, als würde er so etwas anderen anvertrauen.»
    «Anvertrauen, nein. Ich nehme an, er sah nichts Vertrauliches darin. Er erwähnte es ganz beiläufig, nachdem ich ihn gefragt hatte, ob er mit mir zusammen ein Casino besuchen wolle.» Er zuckte die Achseln und sah beiseite, während sich feiner Rauch aus seiner Zigarette kräuselte. «George sagte einfach nur, er würde Amelia treffen.» Nach kurzem Schweigen fügte er, auf seine perfekt manikürten Fingernägel starrend, hinzu: «Er hat wohl kaum gewußt, daß sie ermordet werden würde.»

25
    «Wie kommt es, daß ich meinen Lunch neuerdings regelmäßig in Polizeibegleitung einnehme?» fragte George Cholmondeley nicht unfreundlich, nachdem ihm Wiggins vorgestellt worden war und er sie mit einer Handbewegung aufgefordert hatte, Platz zu nehmen.
    «Tut uns leid, Mr. Cholmondeley. An der Rezeption des ‹Brown’s› hat man uns gesagt, Sie seien hier zu finden. Es ist ziemlich wichtig. Ich nehme an, Sie sind nicht auf dem laufenden, was Mrs. Farraday betrifft?»
    Cholmondeley hatte das Weinglas zum Mund geführt, trank aber nicht. Langsam setzte er es wieder ab und schob zugleich seinen Teller weg, als würde ihn das Essen nicht mehr interessieren. Indessen schien es Sergeant Wiggins um so mehr zu interessieren; er betrachtete die Tournedos Rossini mit unverhohlenem Mißtrauen. Wiggins vertraute der haute cuisine genauso wenig wie ihm nicht geläufigen Klimaverhältnissen. Es erstaunte Jury, daß jemand wie Wiggins, der im Fluchen so weltläufig war, beim Essen hartnäckig an einer Diät aus Schollen, Pommes frites und Erbsen aus der Dose festhielt.
    «Sie scheinen recht unerfreuliche Neuigkeiten zu bringen. Sonst wären Sie wohl nicht hier.»
    «Sehr unerfreuliche.»
    «Was ist geschehen?»
    «Man hat sie ermordet aufgefunden. Sie haben Honeycutt erzählt, Sie seien mit ihr verabredet, ist das richtig?»
    Er ließ Cholmondeley Zeit, seine Zigaretten hervorzuholen, jedem eine anzubieten und ihnen Feuer zu geben.
    «Nun, das ist richtig. Besser gesagt, sie hat sich mit mir verabredet.»
    «Oh? Und wissen Sie warum?»
    «Weil sie nicht zu begreifen schien, daß der kleine Flirt vorbei war.»
    «Machte Sie Ihnen Schwierigkeiten?»
    «Schwierigkeiten? Sie meinen, ob sie mich in Verlegenheit brachte?» Cholmondeley begann zu lachen, sah dann aber wohl ein, daß das nicht der richtige Augenblick war. «Entschuldigen Sie. Nein, dazu wäre es wohl nicht gekommen. Im übrigen ist sie gar nicht aufgetaucht. Aber ich fange an zu verstehen, worauf Sie hinauswollen.»
    Jury verzog keine Miene. «So? Dann erzählen Sie mal, damit wir beide auch mitkommen.»
    Cholmondeley schwieg; er blickte nur von Jury zu Wiggins, als könnte er im Gesicht des Sergeanten ablesen, welchen Aufenthaltsort für die vergangene Nacht er, Cholmondeley, auf gar keinen Fall angeben dürfte. Doch Wiggin’s Gesicht war in solchen Fällen undurchdringlich wie eine Mauer.
    «Sie sind auf der Suche nach Motiven. Ich hätte nur ein sehr geringfügiges, glauben Sie mir.»
    «Wo wollten Sie sich mit ihr treffen?»
    «Am Berkeley Square Park. Er liegt in der Nähe des Hotels, aber nicht zu nah.»
    «Es zeugt nicht gerade von guten Manieren, sich mitten in der Nacht in einem Park mit einer Dame zu verabreden, die ohne Begleitung ist.»
    «Und wer hat behauptet, es sei mitten in der Nacht gewesen?» Cholmondeley zog gelassen an seiner Zigarette und machte ein Gesicht, als wäre dieser Punkt an ihn gegangen.
    «Lediglich eine Mutmaßung. Ihr Mann gab an, sie sei nach dem Abendessen spazierengegangen. Und das war kurz nach halb zehn, eher gegen zehn vermutlich. Ist sie etwa mit Ihnen spazierengegangen?»
    «Nein», sagte Cholmondeley barsch. «Ich sagte Ihnen doch, daß Amelia überhaupt nicht

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