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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
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musterte ihn mit stahlhartem Blick. »Ihr Organismus ist doch fast diabetisch!«
    »Aha? Und deshalb kaufen Sie ihr Lutscher?«
    Mrs. Babcock erstarrte und stellte noch mehr die Stacheln auf. Melrose hätte sich mit ihr die Schuhe bürsten können. »Jedes Kind braucht doch ab und zu mal was Süßes.«
    »Ach, machen Sie sich um ihren Blutzucker mal keine Sorgen. Ich bin sicher, Dracula wäre entzückt, sich an ihr gütlich zu tun.« Er lächelte sein Totenkopflächeln.
    Da fiel ihr aber die Klappe herunter! Sie stotterte herum und stieß dann hervor: »Ah, das gibt’s doch nicht! Aber das werde ich ja dem Trust melden! Sie werden schon sehen!«
    »Madam, ich bin dem National Trust zu nichts verpflichtet. Ich tue denen mit meiner Anwesenheit hier einen Gefallen. Und nun schlage ich vor, Sie tun denen jetzt auch einen Gefallen und verschwinden.« Er schritt an die Tür und riss sie mit dramatischer Geste auf.
    Mr. Babcock murmelte eine Entschuldigung, während sie durch die Tür gingen.
    Minnie bedachte Melrose mit einer klebrigen, herausgestreckten Zunge.

42
    Mrs. Jessup versuchte, so gut sie konnte, die Bäckerei des Tages zu retten, und war gerade dabei, Torten und Kuchen aufzuheben, als Melrose wieder in die Küche kam.
    »Ha, diese Babcocks sehen wir nicht wieder«, sagte er. »Warten Sie, ich helfe Ihnen.« Er kniete sich hin, um ein paar Plätzchen auf ein Kuchenblech zu schaufeln.
    »Die schmeißt man am besten gleich weg.« Sie sammelte die Utensilien zusammen und ließ sich dabei mit vor Aufregung ganz hoher Stimme über die Kindererziehung heutzutage aus. »Also, wenn einer von uns sich als Kind so aufgeführt hätte, wir hätten aber eine ordentliche Tracht Prügel eingesteckt, so dass wir eine Woche lang nicht hätten sitzen können! Ich kann’s mir aber eigentlich nicht vorstellen, weil es nie vorgekommen wäre. Sie werden mir verzeihen, Sir, aber ich komm einfach nicht drüber weg, wie die meine Torten und Kuchen auf den Boden gepfeffert hat!«
    Von seiner knienden Position aus hob Melrose den Blick zu ihr hoch. »Setzen Sie sich doch ein Weilchen hin, Mrs. Jessup!«
    Sie achtete gar nicht darauf und machte sich stattdessen am großen Küchenspülstein zu schaffen, während Melrose ein Zitronentörtchen rettete und versuchte, das Thema von Minnie abzulenken. »Sie waren also eine große Familie?«
    »Ja, schon, Sir, eine ziemlich große. Wir waren drei Mädchen, Dora war die Älteste, und ein Bruder, Bertie.«
    »Das ist ja eine hübsche Bande.« Er inspizierte einen ruinierten Kümmelkuchen und wünschte nicht zum ersten Mal, er wäre kein Einzelkind gewesen. »Leben die in der Nähe?«
    »Zwei davon sind schon tot, zwei Schwestern. Ertrunken, alle beide.«
    »Wie schrecklich! Das muss für Ihre Eltern ja schrecklich gewesen sein, und für Sie selbst auch.« Melrose erinnerte sich dunkel, dass Wiggins etwas davon erzählt hatte. »Waren Sie damals am Strand?«
    »Nein, Sir. Während des Krieges ist es passiert. Ein Schiff hat uns Kinder also, eine ganze Menge – nach Kanada evakuiert und ist gesunken. Die Fahrt ins Verderben, nannten sie es damals.«
    »Das tut mir ja so leid.« Er runzelte die Stirn.
    Sie zuckte die Achseln. »Das ist schon lange, lange her. Ich musste bloß an das alles denken wegen dieses entsetzlichen Kindes.« Sie tauchte einen Topf ins Spülbecken. »Die werden sich noch wundern, Mum und Dad, wenn aus dem Gör mal eine selbstsüchtige, kaltblütige, unverfrorene Zicke wird.«
    Mrs. Jessup war außer sich; sie war eine Frau mit einem weit hitzigeren Gemüt, als Melrose gedacht hätte. »Wissen Sie was, ruhen Sie sich doch ein Weilchen aus! Legen Sie die Beine hoch. Gehen Sie nach Hause, wenn Sie möchten. Die Kuchen und Torten können auch noch bis morgen warten.«
    Kaum hatte er damit angefangen, schüttelte Mrs. Jessup auch schon den Kopf und hörte gar nicht mehr auf. »Nein, Sir, aber trotzdem danke. Heute ist mein Backtag, und ich will es fertig kriegen.« Ihre straffen, muskulösen Arme hantierten bereits mit einem Mehlsack, aus dem sie eine bestimmte Menge in eine große Schüssel abmaß. »Ich bin nun mal ein Gewohnheitstier. Aber eins kann ich Ihnen sagen, Sir …« – sie stellte das Mehl wieder in eins der unteren Regale eines großen alten Wandschranks – »die Gewohnheit ist es, die Macht der Gewohnheit, die wird uns am Ende noch retten. Wenn man immer das macht, was man sich selber vorgenommen hat, dann schafft man es.«
    Melrose überließ dies lieber anderen.

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