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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
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ihm zustimmen.
    »Dieser Freund von mir ist übrigens derjenige, der herausgefunden hat, dass Mrs. Jessup Snows Schwester ist.«
    »Ach ja?«
    Jury nickte. »Das ist also nicht irgendein Irrer, der in London herumrennt und denkt, er sei Sherlock Holmes.«
    Eigentlich schon, aber Jury sah keinen Grund, DI Aguilar diesen Sachverhalt mitzuteilen.

51
    »Ich kann mir nicht vorstellen«, sagte Melrose, in Lamb House in der Küche sitzend, »dass Kurt Brunner zu so etwas fähig ist. Ich war wirklich schockiert.« Er sah Mrs. Jessup dabei zu, wie sie einen Lammbraten in Scheiben schnitt, fürs Abendessen zurichtete. Ihr Gesicht war ganz rosa von der Anstrengung, einer gewiss übertriebenen Anstrengung. Es handelte sich schließlich bloß um eine Lammkeule. Am anderen Ende des Küchentischs ruhten Zitronen- und Vanillecremetörtchen und luftige Küchlein. Zwei große Bleche waren noch im Backofen. Er fand den Duft der Mince Pies betörend, fragte sich jedoch, was um alles in der Welt sie mit all dem Gebäck vorhatte, da er selbst nur ein klitzekleines bisschen davon verzehrte.
    »Ich bin nie damit rausgerückt, aber ich konnte Mr. Brunner noch nie so recht leiden. Ich fand ihn immer ein bisschen rätselhaft und irgendwie zu geheimniskrämerisch.«
    »Wirklich?« Melrose mampfte gerade ein Plätzchen, das er wie üblich mit seinem Tee kredenzt bekommen hatte. »Ich fand ihn ruhig, aber nie geheimniskrämerisch.«
    Sie musterte ihn mit einem Lächeln, das Melrose unangenehm dünkte. Oder reagierte er bloß so, weil Jury behauptete, sie sei Teil des Mordkomplotts gegen Billy Maples?
    »Gilbert Snow hat nicht den Grips dazu, es allein zu bewerkstelligen« , hatte Jury gesagt.
    Die Köchin trat an den Ofen, um einen prüfenden Blick auf die Mince Pies zu werfen und sie aus dem Ofen zu ziehen. »Es mag ein Vorurteil sein, aber ich habe für die Deutschen nicht viel übrig.« Sie stellte das Kuchenblech auf den Tisch.
    »Ja, das erwähnten Sie bereits.« Er stellte seine Teetasse ab. »Sie meinen, wegen des Krieges?«
    »Aber ganz bestimmt.«
    »Damit schlagen Sie aber doch eine ziemlich alte Schlacht, finden Sie nicht?« Er lachte etwas angestrengt, in der Hoffnung, sein Lachen würde sie in Fahrt bringen.
    Sie unterbrach ihr Schneidwerk. »Denken Sie etwa, wir, die wir es durchgemacht haben, sollten alles vergessen?«
    Offensichtlich hatte Mrs. Jessup nichts vergessen. Also kramte er eine alte Binsenweisheit hervor, um sie noch mehr zu ärgern. »Nein. Aber würden Sie nicht auch sagen: Vorbei ist vorbei?«
    »Nein, das würde ich ganz bestimmt nicht. «
    Da klingelte es an der Tür.
    »Wer kann denn das sein? Heute ist doch nicht Mittwoch.«
    Fröhlich sagte Melrose: »Na, wer denn? Ich sehe mal nach!«, und verließ die Küche.

    Gestern Abend war er aus London zurückgekehrt und hatte lange im Arbeitszimmer gesessen und nachgedacht. Ab und zu hatte er das Buch zur Hand genommen, das umgekehrt aufgeschlagen auf der Armlehne des Sessels gelegen hatte, und gelesen.
    Es handelte sich um Die Drehung der Schraube. Er suchte Inspiration bei Henry James. Die Haushälterin, Mrs. Grose mit Namen, war eine angenehme, einfache Frau von schlichtem Gemüt, ohne ein Quäntchen Fantasie, und eine schlechte Gefährtin und Vertraute für die namenlose Gouvernante, die bei Weitem zu viel Fantasie besaß. Oder jedenfalls interpretierte Melrose es so. Er konnte sich auch irren. Vielleicht versuchten diese beiden Kinder, Miles und Flora, ja tatsächlich , sie aus dem Hause zu vergraulen.
    Melrose ging auf und ab, hin und her. Ach, komm schon, Mann, gib mir eine Idee! Dieses »kleine Problem« hätte den Meister sicher interessiert. Na los, das ist doch genau Ihr Fall!
    Solche Kinder wie Flora und Miles gab es doch gar nicht. Weshalb ließ sich der Leser dann trotzdem auf sie ein? Wegen der Zwiespältigkeit? Weil alles, was sich ereignet hatte, sich auf mindestens zwei Arten erklären ließ?
    Ha! Melrose versuchte sich vorzustellen, wie Henry James mit der entsetzlichen Minnie Babcock umgegangen wäre, fiktiv mit ihr umgegangen wäre, nicht faktisch. Er konnte sich nicht vorstellen, dass James sich mit Kindern überhaupt abgegeben hätte. Vor seinem geistigen Auge beobachtete Melrose, wie Henry James die Küche verließ, aus der die Geräusche von zerschmettertem Geschirr, zerbrechendem Glas und Schreien ertönten.
    Melrose spulte das Band in seinem Kopf noch einmal zurück. Glas, wie es zerbrach, als wäre es aus lauter Unachtsamkeit vom Tisch

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