Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen
etwa, ich will Sie vergiften?«
Er hielt abwehrend die Hände in die Höhe. »Tut mir leid, ich wollte Ihre Kochkunst nicht kritisieren, ich …«
»Was ist denn das für ein Kind und was macht der da draußen? Schauen Sie mal!«
Das Lamm vergessend, schaute sie aus dem Fenster. Melrose stellte sich neben sie. »Ach, das ist bloß Malcolm. Erkennen Sie ihn denn nicht? Das ist der Cousin von Billy Maples. Und Roderick ist sein Onkel. Bei denen wohnt er. Und ist heute mein Gast zum Abendessen. Ich glaube aber nicht, dass er es die Mauer hochschafft, Sie? Nicht mit diesem Hund.«
Mrs. Jessup starrte Melrose fassungslos an. Sie war sprachlos, als sie hörte, dass Melrose das Unternehmen nicht nur guthieß, sondern auch noch maßgeblich dafür verantwortlich war. »Ah, Sir, jetzt gehen Sie aber raus und holen den Jungen aus dem Garten!«
Ha! Ein vielversprechendes Zeichen. Sie hatte ihren Platz in der Rangordnung so weit vergessen, dass sie schon anfing, Lord Ardry herumzukommandieren. »Wenn Sie darauf bestehen«, sagte Melrose seufzend.
»Es ist bloß, damit sie in Fahrt kommt«, sagte er zu Malcolm, als der Junge sein Seilende losmachte.
Waldo befreite sich selbst. »Wissen Sie was, Waldo würde nicht mal halb raufkommen, so wie Sie das Seil rumbinden.«
»Wir tun doch bloß so«, entgegnete Melrose geheimnisvoll.
Malcolm und Waldo, beide mit verdrießlicher Miene, folgten Melrose in die Küche.
»Da sind sie!«, sagte Melrose, als hätte Mrs. Jessup es nicht erwarten können, Junge und Hund zu Tee und Törtchen bitten zu dürfen. Er machte sie miteinander bekannt, worauf Mrs. Jessup die Hände in die Seiten gestützt mit wütendem Funkeln reagierte.
»Darf ich fragen, was du hier machst, junger Mann?«
Malcolm hatte die Ausbeute des Backtags sofort ins Visier genommen und steuerte auf den Kuchentisch zu. »Bin mit dem Zug gekommen«, sagte Malcolm und griff nach einem Mince Pie.
Waldo schnüffelte derweilen wie wild herum, ohne dabei Mrs. Jessups Fußknöchel zu vernachlässigen. Sie versetzte ihm einen ziemlich gemeinen Tritt. »Ein Hund kommt mir nicht in meine Küche!«
»Wieso?«, versetzte Malcolm. »Der hat doch gar nix gemacht.«
Ah! Ein Lobgesang auf dich, du Frechdachs!
Melrose sah zu, wie Malcolm sich geschickt ein kleines Kuchenquadrat nahm, das gerade darauf wartete, mit Glasur versehen zu werden. Malcolm steckte den Finger in die Schüssel und glasierte es selbst.
Bravo! Bravo! Melrose hätte am liebsten Beifall geklatscht.
Mrs. Jessup geriet bereits von null auf hundertachtzig, und ihr Gesicht bekam Sprenkel und Flecken wie ein Haus in Flammen.
Dies sah Malcolm und lächelte. Dann peilte er den Kuchentisch an, trat, Kuchenstückchen in der Hand, einen Schritt zurück und übertraf Minnie in einem wohl kalkulierten Zug um Längen: Mit einem kleinen Sprung, Fuß an die Kante schlagend, brachte er den ganzen Tisch zum Umkippen, so dass alles, auch die viel zu rosafarbene Lammkeule, mit Getöse und Geklirr zu Boden stürzte.
Was für ein entsetzlicher Höllenlärm!
In den paar Sekunden, die sie brauchte, um laut zu kreischen: »Nein! Nein! Dora! Janie! Du alter Teufel!« , hatte sie das Messer gepackt und wäre um ein Haar auf Malcolm losgegangen, wäre nicht der Tisch zwischen ihnen gewesen, und hätten sich nicht sowohl Melrose wie auch Waldo auf sie gestürzt (Waldo schlug dabei Melrose um Schnauzenlänge).
Was Melrose bei alldem am dramatischsten dünkte, war nicht das Geschehen, sondern die Stimme, die »Dora! Janie! Du alter Teufel!« schrie. Denn was er da hörte, war eine andere Stimme, die Stimme der Gouvernante, die »Peter Quint, du Teufel!« schrie.
Henry James, in der Küche von Lamb House lebte er noch!
Wenn er schlau wäre, würde der National Trust daraus eine ganz große Sache machen.
52
Die örtliche Polizei brachte Annie Jessup aufs Revier, wo man wartete, bis London kam und sie abholte, wobei London in diesem Fall aus Richard Jury und Ron Chilten bestand. Eine Wachtmeisterin von den Kollegen in Sussex hatte Mrs. Jessup nach Hause begleitet, damit sie ein paar Sachen holen konnte, die sie brauchen würde, solange sie in London war. Wie lange das sein würde, wusste man nicht. Es ging alles ganz glatt, Mrs. Jessup erhob keine Einwände, sagte nichts.
Es war so ziemlich das gleiche Nichts wie bei ihrem Bruder an dem Morgen in Islington. Die beiden teilten anscheinend die fast abergläubische Überzeugung, dass im Schweigen Sicherheit lag.
Als sie ihm nun in einem
Weitere Kostenlose Bücher