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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
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gestützt, den Ellbogen auf der Armlehne, übte Jury sich in Geduld. »Sie haben doch bestimmt versucht, sich einen Reim darauf zu machen – was jemanden dazu veranlasst haben könnte, Billy Maples zu erschießen.«
    Kurt Brunner beugte sich zu Jury hinüber. »Wie ich schon sagte – ja. Ja, das habe ich. Ich habe seither an kaum etwas anderes gedacht, Superintendent.«
    »Da bin ich sicher. Ich meine aber Folgendes: Sie müssen doch gewisse Möglichkeiten in Betracht gezogen haben – Leute, Orte, Situationen –, bevor Sie sie als unwichtig abtaten. Und danach suche ich wohl: nach dem als unwichtig Abgetanen.«
    »Das wäre aber doch unverantwortlich, oder? So einfach Namen in den Raum zu werfen wie einem Schwan ein paar Brotbrocken?«
    Jury grinste. »Das ist das erste Mal, dass ich mit einem Schwan verglichen werde. Nennen wir es eher freie Gedankenassoziation statt Anklage für unverantwortliches Handeln Ihrerseits. Ich versuche bloß, mir ein Bild Ihres Arbeitgebers zu machen, wie er tatsächlich war. Und von wem bekäme ich das besser als von Ihnen?«
    »Aber sehen Sie doch – ich gebe nichts Vertrauliches preis.«
    Jury seufzte. Trotzdem hörte er erfreut, dass es etwas preiszugeben gab.
    Brunner wurde nachdenklich, sagte aber nichts.
    Jury schwieg ebenfalls. Geduldig wie ein abwartender Raubvogel saß er da. Er hatte Zeit, wenn es sein musste, den ganzen Tag, den ganzen Abend. Während er wartete, dachte er über Henry James nach. Dieses Journal, die Seiten mit den wenigen Änderungen. Dass jemand es gleich beim ersten Mal so korrekt hinkriegte. Was für ein Genie, sich dieser eleganten Sprache, dieser vollkommenen Prosa bedienen zu können. Es war schon genial genug, dass er es in der endgültigen Buchfassung schaffte. Doch es gleich von Anfang an so zu diktieren! Kein Wunder, dass er als Meister des Wortes galt.
    Als käme er ihm auf gleicher Wellenlänge entgegen, sagte Brunner: »Haben Sie viele Romane von James gelesen?« Er war an ein Bücherregal getreten.
    Jury schüttelte den Kopf. »Drei, glaube ich.«
    »Dieses hier behandelt das Vampirthema.« Brunner hielt einen schmalen Band in die Höhe.
    Unwillkürlich musste Jury lachen. »Henry James schreibt über Vampire?«
    Brunner fixierte ihn mit einem sonderbaren Lächeln. »Kommt darauf an, wie Sie die interpretieren.« Er setzte sich wieder hin.
    »Vampire.«
    Brunner nickte. Er hatte ein leicht herablassendes Lächeln aufgesetzt.
    Jury verstand das Lächeln: Da er hier wohnte, hatte Brunner vielleicht das Gefühl, Zugang zur Gedankenwelt von Henry James zu haben. Jury suchte jedoch Zugang zum Denken von Billy Maples. Vielleicht wollte Brunner ihn glauben machen, es sei ein und dasselbe. »Vampire! Das ist wirklich ein wenig abwegig–«
    Brunner rückte mit seinem Sessel etwas näher heran. Ein höchst gefühlsintensiver Mensch, wie Jury bemerkte. » Der Wunderbrunnen gehört nicht zu seinen beliebtesten Romanen, vielleicht weil er ziemlich obskur ist.«
    »›Obskur‹ ist meiner Ansicht nach alles von James. Allerdings habe ich nicht so viel von ihm gelesen.«
    »Oh, aber auf Der Wunderbrunnen trifft es ganz besonders zu.« Mit einem Lächeln griff Kurt Brunner nach einem silbernen Zigarettenkästchen, entnahm ihm eine Zigarette und bot das Kästchen auch Jury an, der kopfschüttelnd ablehnte. Brunner fuhr fort: »Normalerweise rauche ich hier drinnen nicht. Können wir in den Garten gehen?«
    Sie standen auf und traten durch die Verandatür in den ummauerten Garten hinaus. Er war genau so, wie Jury ihn in Erinnerung hatte. Seltsam, dachte er, dass einem etwas so Unerhebliches wie ein fremder Garten so lange im Gedächtnis haften blieb.
    Brunner zündete sich die Zigarette an. Jury beobachtete das Streichholz – wie es angerissen wurde, wie die kleine Flamme aufleuchtete, wie es zur Zigarettenspitze geführt wurde. Eigentlich ein qualvoller Prozess. Er hüstelte.
    »Verzeihung. Stört Sie der Rauch?«
    »Nein, nein. Sie sprachen gerade über diese Sache mit den Vampiren.«
    »Ja. In dem Buch saugt eine ältere Ehefrau ihrem jüngeren Gatten die Jugend aus, einen großen Teil davon jedenfalls. Der eine Ehepartner blüht auf, während der andere dahinsiecht.«
    »Ist das das Vampirthema?«
    »Das ist das Vampirthema.«
    Jury schüttelte lächelnd den Kopf. »Ich finde es schwer vorstellbar, dass James darüber schreibt.«
    »Vergessen Sie nicht, er hat auch Die Drehung der Schraube geschrieben.«
    »Ja. Das ist eins von denen, die ich gelesen

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