Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
Vom Netzwerk:
habe. Inwiefern hat das mit Billy Maples zu tun?«
    »Wegen seiner Stiefmutter Olivia. Die beiden verstanden sich nicht. Das ist noch gelinde ausgedrückt. Sie hatten oft schreckliche Auseinandersetzungen. Er ging sehr ungern dorthin. Nie wieder, schwor er sich jedes Mal. Aber Olivia behauptete, sie bräuchte ihn, er würde ihr fehlen, und setzte immer wieder alle Hebel in Bewegung. Dann ging er ein paar Tage hin und brauchte wieder einen ganzen Tag, um sich davon zu erholen. ›Ich weiß nicht, was es ist‹, sagte er oft. ›Sie wird immer geistreicher, ja sogar jünger, wenn ich da bin, ich dagegen bin vollkommen erledigt, fühle mich zehn Jahre älter. Vollkommen ausgepumpt.‹ Als müsste einer von ihnen den Preis für den anderen bezahlen.«
    »Das ist ja richtig makaber.« Was für eine banale Bemerkung, dachte Jury. »Wollen Sie damit andeuten, dass seine Stiefmutter auf irgendeine Art und Weise schuld an Billys Tod ist?«
    Kurt Brunner zuckte die Achseln. »Sie vergessen, was Sie von mir wollten: Ob mir jemand einfällt, der es getan haben könnte. Sie interessierten sich für die Leute, die ich als unwichtig abgetan hatte, so haben Sie es jedenfalls ausgedrückt.«
    Jury schüttelte den Kopf. »Diese Frau hört sich nicht so an, als wäre sie so leicht abzutun.«
    Brunner nickte. »Ganz meiner Meinung. Ich könnte mir allerdings nicht denken, inwieweit sie womöglich darin verwickelt war. Ich weiß nicht, wie ich Ihre Frage beantworten soll.«
    »Ein Ermittlungsbeamter namens Chilten hat mit den Eltern gesprochen. Der wird wissen wollen, wo die vorgestern Abend waren.«
    »Wissen Sie, ›die‹ spielen vermutlich keine große Rolle. Billys Vater ist seinem Sohn, was ich so sehen kann, sehr zugetan, kann es aber nicht besonders gut zeigen.«
    »Und Sie? Wo waren Sie?«
    »In London, in der Wohnung in der Sloane Street. Ich war gerade aus Berlin zurückgekehrt. Ein Alibi habe ich also nicht.« Brunner lächelte unsicher.
    »Besitzen Sie eine Waffe?«
    Brunner schüttelte den Kopf. »Das haben die mich auch gefragt, die Ermittler von – woher waren sie? –, von der Polizei in Islington? Die wollten überhaupt eine ganze Menge wissen.«
    Jury machte gerade den Mund auf, um etwas zu sagen, als das Telefon klingelte. Brunner entschuldigte sich und drückte seine Zigarette aus. Weil er sich drinnen noch genauer umsehen wollte, folgte Jury ihm ins Haus.
    Während Brunner mit dem Anruf beschäftigt war, schlenderte Jury im Salon umher und genoss die Stille. Nicht dass ihm die Unterhaltung mit Brunner zuvor lästig gewesen wäre. Ihre Stimmen waren etwa so aufdringlich gewesen wie eine Staubschicht, sofern hier ein Körnchen Staub herumgelegen hätte. Zu gern hätte Jury einen Buchrücken zu sich hergedreht und den Staub von der Oberfläche gepustet. Er wusste auch nicht, wieso ihn dieses Gefühl überkam. Vielleicht hatte es damit zu tun, Dinge schleifen zu lassen.
    Er zog einen Band mit Kurzgeschichten hervor, sah im Inhaltsverzeichnis nach und fand die Geschichte, die Oswald Maples erwähnt hatte: »Das Muster im Teppich.«
    Er behielt das Buch in der Hand, während er die vollen Regale betrachte, und überlegte, ob die Bücher Billy Maples gehört hatten oder Eigentum des National Trust waren. Vermutlich Letzteres.
    Aus irgendeinem Grund musste er plötzlich an seine verstorbene Cousine denken und daran, dass sie ihm eine Version seiner Kindheit vermittelt hatte, die er selbst völlig anders in Erinnerung hatte. Er war fünf oder sechs gewesen – glaubte er jedenfalls –, als seine Mutter damals bei dem Luftangriff ums Leben gekommen war.
    »Nein, du warst noch ein Kind, und du warst auch nicht dabei, als es passiert ist«, hatte sie behauptet.
    Schwer belastet war sie gewesen, diese offenbar irrtümliche Erinnerung an seine tote Mutter in den Trümmern ihres Hauses, und wenn seine Cousine nicht gelogen hatte (»sähe ihr aber ähnlich«, hatte Brendan, ihr Ehemann, lachend gemeint), war alles völlig falsch. Alles, bis auf das Gefühl der Traurigkeit und Trostlosigkeit.
    Kurt Brunner kam wieder herein und teilte ihm mit, er habe soeben mit dem National Trust gesprochen. »Die suchen nach einem neuen Mieter. Sie wollen, dass ich noch zwei bis drei Wochen bleibe, bis das Ehepaar, das als Nächstes an der Reihe ist, den Vertrag zu übernehmen, bis die also alles zusammengepackt haben.«
    »Nun, zumindest bedeutet es, dass Sie vorerst nicht hier rausmüssen.«
    »Ach, ich will ihn ja gar nicht!«
    »Den

Weitere Kostenlose Bücher