Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen
ins Auge gefallen.«
Roderick lächelte matt. »Sehr gut, finden Sie nicht? Selbstverständlich eine Kopie. Wenn es der echte wäre, bekäme man Millionen dafür – viele, viele Millionen.« Er wandte den Blick zur Wandfläche neben dem Kamin. »Das gilt auch für den Soutine dort. Nicht so ein großer Batzen wie der Klimt, aber auch ganz ordentlich.«
Melrose sagte: »Oh, das überrascht mich. Ich nahm an, der Klimt wäre das Original, da er an der Wand festgeschraubt ist.«
Roderick lachte. »Das ist nicht wegen seines Werts, sondern weil es immer wieder heruntergefallen ist. Es ist ziemlich schwer.«
»Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir den Soutine ein wenig genauer ansehe?« Melrose wartete nicht lange ab, ob sie etwas dagegen hatten oder nicht, und stürmte zum Kamin.
»Aber nein, aber nein«, sagte Roderick.
Ob Original oder nicht, es war eine Landschaft aus gequälten Bäumen und einem einstürzenden Haus – eine Sturmstimmung vielleicht. Melrose musste an van Gogh denken: die kühnen Pinselstriche, die intensiven Farben, das Gefühl, dass hier nichts in Ordnung war. »Ich weiß nicht – würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich es hinüber ans Licht nehme, um es mir genau anzusehen?«
Roderick zögerte merklich. Doch es war ein kleines Bild, und es gab keinen Grund – oder doch? –, die Bitte abzuschlagen. »Äh, nein … das wird ja wohl nicht schaden.«
Melrose nahm es behutsam ab und trug es ans Fenster. Er begutachtete das Gemälde eine Weile, fuhr dann mit dem Finger über den Rahmen und drehte es wie zufällig nicht länger als zwei Sekunden um, bevor er das Bild noch einmal betrachtete und an seinen angestammten Platz zurückbrachte.
Etwas, irgendeine Markierung auf der Rückseite, war mit Tinte übermalt worden. Er wusste nicht, was es war.
Roderick, schon leicht beschwipst, sagte etwas über Malcolm. Zumindest nahm Melrose an, dass sie nicht über ihn redeten.
»– nur so was! Er ist griesgrämig, teilnahmslos, destruktiv und zu seinem kleinen Hund einfach furchtbar«, sagte Roderick.
Scheint ja ein schönes Früchtchen zu sein , dachte Melrose.
»– fesselt das Tier und zieht es an der Gartenmauer hoch.«
»Er ist erst zehn, Roddy.«
»Der wird keine elf, wenn deine Schwester nicht herkommt und sich um ihn kümmert.«
Melrose lächelte. Da Malcolms Mutter sich jetzt seit zwei Jahren nicht mehr gemeldet hatte, würde der Junge vermutlich auch seinen nächsten Geburtstag brav hier feiern. »Vielleicht fehlen ihm seine Eltern.« Dass er zu so viel Mitgefühl fähig war, überraschte ihn.
»Seltsamerweise«, sagte Roderick, »unterhielt er sich offensichtlich angeregt mit Ihrem Freund, dem Detective.«
»Dem Superintendenten«, fügte Olivia hinzu.
»Ah ja, Superintendent Jury hat eine gewisse Ader für Kinder.«
Roderick ließ ihn kaum zu Ende sprechen, bevor er sagte: »Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Junge ihm etwas hätte erzählen können, was ihm weitergeholfen hätte.« Die Furchen auf Rodericks Stirn wurden tiefer, als bereitete ihm der Gedanke Sorgen.
»Na ja, Roddy, du weißt ja, wie gut Malcolm sich mit Billy vertragen hat. Er mochte Billy sehr gern. Vielleicht war er der einzige Mensch, den Malcolm wirklich gernhatte.« Wie auf der Suche nach dem Verblichenen glitt ihr Blick durch den Raum.
»Ich glaube, mein Sohn hatte ebenfalls eine Ader für Kinder. Ich habe das nie begriffen, mit Erwachsenen hatte er nämlich so seine Schwierigkeiten.« Rodericks Hand fuhr über seine Augen, vielleicht um eine Träne wegzuwischen.
Melrose stellte sein Glas hin. »Ich würde übrigens gern einen kurzen Spaziergang durch Ihren Garten machen. Das ist etwas, was mir an Lamb House am meisten gefällt: der Garten dort. Ich bin selbst ein recht passabler Gärtner.« Ach, halt doch den Mund, bevor du schon wieder ins Fettnäpfchen trittst! »Hätten Sie etwas dagegen?«
Beide schüttelten den Kopf. Wie konnten sie etwas dagegen haben? Da kommt dieser exzentrische adlige Herr auf Besuch, nimmt das Bild von der Wand und lädt sich dann selbst aus ihrer Gesellschaft aus? Wer sollte dagegen etwas haben?
»Aber bitte, Lord Ardry«, sagte Olivia. »Sehen Sie sich bloß vor, falls Malcolm da draußen ist.«
»Ach, schon gut«, sagte Malcolm von der Backsteinmauer herunter, seufzte tief und begann sich und Waldo auf die Erde herunterzulassen.
Schon gut, was? Melrose hatte ihn schließlich nicht zum Essen hereingerufen. Es war offensichtlich ein »schon gut«, das er als
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