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Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen

Titel: Inspektor Jury laesst die Puppen tanzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matha Grimes
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dabei nicht von vorne bis hinten und von A bis Z um genaueste Analysen.«
    Oswald lachte kurz. »Ja, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen. Ich sollte diese Neigung bewundern. Trotzdem glaube ich, Rose irrt sich.«
    Jury erwiderte nichts darauf. Er sagte: »Ich fragte sie, was sie über Billys Stimmungsschwankungen dachte. Ob es vielleicht möglich war, dass Billy diese sogenannte bipolare Störung hatte.«
    Oswald ließ sich dies durch den Kopf gehen. »Er war launisch, das stimmt …«
    »Sie zögerte kaum, mir zu verraten, dass es sich um eine Konstitution in ihrer Familie handelte. Sie habe selbst darunter gelitten, sagte sie.«
    »Davon hatte ich ja keine Ahnung. Wann hat man es bei ihr festgestellt?«
    »Als sie in ihren Zwanzigern war. Offenbar fand sie einen sehr guten Arzt. Aber bis dahin, sagte sie, sei sie ein ziemlicher Feger gewesen.«
    Oswald lächelte. »Das kann ich mir denken.«
    »Sie versuchte Billy dazu zu bringen, etwas dagegen zu unternehmen, einen Psychiater aufzusuchen, irgendetwas zu tun – aber er wollte nicht.«
    »Nein. Er fand Kurt Brunner. Billy brauchte manchmal einen, der ihn stützte.«
    »Was unternahmen seine Eltern seinetwegen?«
    »Roderick wusste nicht, was er tun sollte, und Olivia merkte natürlich nicht, dass etwas getan werden musste, sie, die ewige Verfechterin der Entscheidungsfreiheit.«
    »Abhängige haben aber keine Entscheidungsfreiheit.« Er dachte an Aguilar und fragte sich, wie frei er selbst in seiner Entscheidung war.
    »Wohl wahr.« Oswald beugte sich vor und griff nach seinem Krückstock. »Ich habe hier etwas recht Interessantes. Es wirft möglicherweise Licht auf so manches, ganz bestimmt aber auf Roderick.« Es gelang Oswald mit Hilfe des Krückstocks, aufzustehen und sich an die Wandregale zu begeben. Dort waren in einem untersten Regal Papiere, Notizbücher und Mappen untergebracht. Aus einem Stapel Mappen zog er eine heraus, ging zum Sofa und reichte sie Jury.
    »Sagt Ihnen der Begriff ›Kindertransport‹ etwas?«
    »Nein. Was ist das?« Jury hielt die Mappe hoch.
    »Einen Moment. Lassen Sie uns erst noch etwas trinken.«
    Als seine Hand schon nach seinem Glas greifen wollte, erhob sich Jury. »Sie gestatten.« Er nahm Oswalds Glas vom Sofatisch. »Es kommt nicht oft vor, dass ich Gelegenheit habe, einen achtzehn Jahre alten Glenlivet einzuschenken.«
    »Achten Sie aber darauf, dass wir beide die gleiche Menge abkriegen.«
    Das tat Jury und reichte Oswald seinen Drink. Dann ging er wieder zurück zu seinem Platz und machte es sich auf dem Sofa bequem, was ihm bereits nach einem Schluck Whiskey zufriedenstellend gelang.
    »Der Kindertransport war etwas, das man als unterirdische Eisenbahn bezeichnen könnte, eine organisierte Aktion, um Kinder aus Deutschland, Polen und der Tschechoslowakei herauszubekommen. Diese Züge fuhren über Holland nach England. Das war im Jahre neununddreißig, direkt nach den Pogromen. Man suchte ein Land, das die Kinder aufnahm. Die Vereinigten Staaten – zu ihrer Schande, meine ich – lehnten ab, wie viele andere auch. Wir aber nicht. Die Züge brachten nach und nach zehntausend Kinder heraus, die andernfalls mit ihren Eltern in die Lager gekommen wären. Und die meisten dieser Kinder sahen ihre Familien nie wieder. Können Sie sich vorstellen, wie dieser Abschied an den Bahnhöfen sich abspielte?«
    »Lieber nicht.«
    »Nein. Nun, es wurde berichtet, dass Eltern gelegentlich zum Zugfenster hinaufgriffen, um ihr Kind wieder herauszuziehen.«
    »Das ist traurig! Diejenigen, die ihre Kinder gehen ließen und vermutlich wussten, dass sie sie nie wiedersehen würden, das waren wohl die Mutigen.«
    »Ja. Ich versuche, mich in ihre Lage zu versetzen. Dann stelle ich mir vor, Billy würde in einem dieser Züge weggebracht.« Er hielt inne und schüttelte bedächtig den Kopf.
    Jury fühlte sich in die Vergangenheit zurückversetzt. Er war tatsächlich weggebracht worden! Jury erinnerte sich, wie er meilenweit leere Gleise angestarrt hatte, und er fragte sich, was es genützt hatte. Die Bomben, die brennenden Gebäude. Er dachte an seine Mutter, die in einem davon starb. Am Ende liegt alles in Schutt und Asche. Er fragte sich, wie diese Eltern es ausgehalten hatten. Oder wie Oswald Maples es aushielt, dass sein einziger Enkel ermordet worden war.
    Oswald zog ein großes weißes Taschentuch hervor und fuhr sich damit über die Augen und unter der Nase hin und her.
    Jury sagte: »Es tut mir leid.«
    Maples steckte das Taschentuch

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