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Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Titel: Inspektor Jury spielt Katz und Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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indem ich eine Reihe besonders widerwärtiger Verbrechen, die Pläne gewisser Drogenhändler und so weiter aus den Zeitungen hielt. Ich besitze einen gewissen – Einfluß.» Er lächelte müde. «Mein Sohn Aubrey junior fühlte sich auf den Schlips getreten, weil der Titel nicht an ihn vererbt wird. Ich habe ihm gesagt, wenn er einen Titel will, soll er sich, verdammt noch mal, selber einen erarbeiten.»
    «Sie waren der Auffassung, wenn Carolyns Verschwinden durch die Presse ginge, könnte das die Suche nach ihr erschweren – deshalb wurde keine Belohnung ausgesetzt.»
    Aber Flossie und Joe wären garantiert mit Carrie im Schlepptau angetanzt.
    «Genau so war es. Und aus demselben Grunde wollte ich auch nicht die Polizei einschalten. Kidnapper sind in dem Punkt ziemlich … heikel. Und zwei Tage später traf ja dann auch die Lösegeldforderung ein. Die Entführer waren ziemlich bescheiden. Sie forderten nur fünfundzwanzigtausend. Die ich höchstpersönlich – in einem Koffer voller Kleidung – an der Gepäckaufbewahrung im Bahnhof Waterloo ablieferte. Und den Abschnitt steckte ich bei W. H. Smith’s in einen Taschenbuchkrimi, ganz am Ende des Regals. Ich ging davon aus, daß ich die ganze Zeit beobachtet wurde.»
    «Aber Carolyn wurde nicht zurückgebracht.»
    «Nein.» Er rieb sich den Nasenrücken und schüttelte den Kopf. «Auch das Geld wurde nie abgeholt. Ich engagierte sofort zwei sehr gute Privatdetektive. Sie fanden nichts heraus. Entweder wollten die Entführer das Risiko nicht eingehen, gesehen zu werden, oder Carolyn war schon tot. Vielleicht» – Lord Lister zuckte mit den Schultern –, «wer weiß.»
    «Und das Hausmädchen beziehungsweise das Kindermädchen? Wie lautete deren Version?»
    «Sie hatte etwas Kaltes zu trinken holen wollen. Es dauerte nur ein paar Minuten, aber als sie zurückkam, war Carolyn fort. Und je länger sie suchte, desto größer wurde ihre Angst. Carolyn lief nie weg, und die Angestellte war felsenfest davon überzeugt, daß sie entführt worden war. Dann kam sie sofort nach Hause zurück.»
    Jury hatte sein Notizbuch herausgenommen, aber Lord Lister sagte: «Das können Sie sich sparen. Das Kindermädchen ist tot. Von ihr erfahren Sie nichts mehr. Sie ist natürlich auf der Stelle entlassen worden.»
    «Waren Carolyns Eltern mit Ihrem Vorgehen einverstanden?»
    «Es gab keine Eltern. Carolyn war unehelich. Meine Tochter Ada starb, als Carolyn drei oder vier war. Der Vater ist auch tot. Ich fand, sie sollte einen Namen haben.»
    «Ja, es hilft einem, die eigene Identität aufzubauen.»
    Lister sah Jury scharf an. Seinen Tee hatte er nicht angerührt. Die Hände immer noch auf dem Stock, wandte er den Blick zu dem hohen Fenster und sprach dann wie ein Mann, dem sämtliche Gefühle abhanden gekommen sind. «Sie sind alle aus dem Haus, die Kinder. Sie fanden es nicht allzu – erquicklich. Ruth und Aubrey. Meine Schwester Miriam ist schließlich auch gegangen.»
    «Wo sind sie, Lord Lister?»
    «Sie melden sich nicht mehr. Das letzte, was ich von Ruth gehört habe, war, daß sie in Indien lebt. Miriam. Miriam würde ich gern einmal wiedersehen.» Gedankenverloren blickte er auf. «Wir standen uns nahe, obwohl sie fünfzehn Jahre jünger ist als ich.»
    «Haben Sie Bilder von ihnen?» Jury deutete mit dem Kopf auf den Kaminsims.
    «Bedienen Sie sich. Sie sind sehr alt.»
    Alt und vergilbt und ziemlich unscharf. Eins sah definitiv nach Carrie aus. «Ihre Mutter?»
    «Ada. Ja.» Lord Lister schien nicht geneigt, in der Vergangenheit herumzuwühlen. Er sah Jury an. «Glauben Sie nun, daß ich ein Tyrann war und sie aus dem Haus getrieben habe?» Er seufzte. «Mein lieber Mr. Jury, sie warten bloß darauf, daß ich sterbe.» Er schürzte die schmalen Lippen. «Geld, Superintendent, Geld.»
    «Solche Leute lassen doch normalerweise regelmäßig von sich hören. Damit Sie wissen, wo Sie es hinschicken sollen.»
    Lord Lister lachte sogar. «Oh, hübsch gesagt. Nein. Sie wissen, daß sie es bekommen. Aber daß Carolyn den Löwenanteil kriegt, das wurmt sie.»
    Jury war überrascht. «Sie mochten sie sehr?»
    Lister dachte lange nach. «Ja. Ich mochte sie. Sehen Sie, ich fühlte mich ein bißchen wie Lear. Nicht daß ich ihr einen Spiegel an die Lippen halten würde, um zu sehen, ob sie noch lebt.» Als er Jury ansah, funkelten seine Augen, sie waren voll Tränen. «Aber im Gegensatz zu den anderen wollte Carolyn nie etwas von mir. Aubrey und Ruth sind selbstsüchtig, oberflächlich

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