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Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Titel: Inspektor Jury spielt Katz und Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Vous serez toujours dans mon souvenir.»
    Henry geriet ins Schwanken, und als sie in den süßesten Tönen Oncle Ricardo herbeirief, mußte Jury wieder an die Costa del Sol denken. Aber Onkel Ricardo, der zur Untätigkeit verdammt gewesen war, lächelte bloß und sagte gleichzeitig mit der Baronin: «Bonjour, mon ami.»
     
    Nur weil er dauernd an die Sonne Spaniens gedacht hatte, fühlte er sich jetzt, als ob er einen Sonnenstich hätte. Sie saß im Auto, schnatterte vor sich hin, strampelte mit ihren herrlich bestrumpften Beinen und stieß ihn in die Rippen.
    «Also, wie war ich, Superintendent? Wir haben, was wir wollten, korrekt?»
    «Haben wir, ma chère !»
     
    Mrs. Wasserman lugte durch ihre schweren Vorhänge. Es hätte Jury nicht überrascht, wenn sie die ganze Zeit auf ihrem Beobachtungsposten geblieben wäre.
    Carole-anne sprang aus dem Auto und die Treppen zu ihr hinunter, Jury folgte ihr.
    «Bonjour, Madame» , sagte Carole-anne, wickelte sich mit der Eleganz eines Stierkämpfers aus dem Zobelcape und ließ es auf den nächstgelegenen Stuhl gleiten. « ’allo , Mrs. W. Erst muß ich mal die Scheißpumps von den Füßen kriegen. Sonst falle ich hier auf der Stelle um.»
    Mrs. Wasserman faltete die Hände und sah ihre Spitzenschülerin an. «Haben Sie’s gut gemacht, Carole-anne?»
    «Pärfäktemang. Stimmt’s, Super?»
    «Pärfäktemang.»
    Carole-anne, ohne Schuhe – und wenn Jury nicht eingegriffen hätte, hätte sie auch noch das Kleid ausgezogen –, spielte die Unschuldige: «Aber ich dachte, Sie müßten das Gelumpe sofort in den Kostümverleih zurückbringen.»
    «Später, Carole-anne. Jetzt muß ich mir erst einmal Lord Listers Gunst erschmeicheln, und dann zurück nach Hampshire.»
    «He, Sie wollten mich zum Galadiner bei Kerzenlicht einladen, Super», sagte sie schmollend.
    «Ich führe Sie ganz fein aus, wenn ich wieder da bin. Behalten Sie die Ausrüstung» -Jury schrieb auf eine seiner Karten hinten was drauf – «und morgen, Süße, gehen Sie zu diesem Burschen. Adios, Señora, Señorita .»
    Er konnte das Geplapper noch hören, als er die Treppe hochrannte. «Erst macht er so ’n Aufstand … Ey, Mrs. W., meinen Sie, der verkohlt mich?»
    «Das würde Mr. Jury nie tun … aber vielleicht würde er …»
    Ihr Lachen war noch zu hören, als Jury ins Auto stieg, lächelnd. Zum erstenmal bekam er mit, wie Mrs. Wasserman wie ein junges Mädchen herumalberte. Gott behüte dich, ma chère , dachte er und fuhr los.
     
    Bevor er zum Woburn Place fuhr, rief er New Scotland Yard an und ließ sich ein paar schnelle Informationen über Lord Lister geben: Aubrey Lister, 1970 in den nicht erblichen Adelsstand erhoben, Aufsichtsratsvorsitzender einer der mächtigsten Tageszeitungen, seit zehn Jahren im Ruhestand.
     
    Jury stand an einer roten Ampel, Motor im Leerlauf (sein Verstand auch, dachte er jedenfalls), da sah er das Straßenschild an einer Hausmauer.
    Fleet Street.
    Carrie hatte irgendwo dieses Fetzchen Erinnerung ausgegraben. Obwohl sie bestimmt keine Ahnung hatte, warum sie sich den Namen der Straße ausgesucht hatte, die als Synonym für die Londoner Zeitungswelt gilt.
    Jury legte den Kopf auf die Hände am Steuer, der Mercedes hinter ihm hupte ungeduldig.

25
    D AS H AUS DER L ISTERS am Woburn Place sah aus, als sei es über Generationen unverändert geblieben, es gab noch die ursprünglichen Tür- und Fenstergriffe aus Messing, das Bleiglasoberlicht, die Treppenpfosten. Der schimmernde Rosenholztisch auf dem handgeknüpften Orientteppich im Eingangsflur reflektierte das matte Licht. Das einzige Zugeständnis an die Gegenwart bestand darin, daß die tulpenförmigen Milchglaslampen nicht mehr mit Gas, sondern mit Strom beleuchtet wurden.
    Ein Hausmädchen, in gestärktem, perlgrauem Kittel und Spitzenhaube, ließ Jury ein. Ihr hatte er auch seinen Ausweis gezeigt – reine Routine, hatte er gesagt. Ob er wohl kurz mit Lord Lister sprechen könne? Sie verzog keine Miene. Obdachloser, Minister, Scotland Yard – wer auch immer vor den Toren von Woburn Place auftauchte, er wurde höflich behandelt. Dennoch mußte sie bei Jurys Anblick sowohl ihre Miene als auch ihre Haube zurechtrücken. «Haben Sie eine Karte, Sir?» Sie lächelte verbindlich.
    «Verzeihung. Selbstverständlich.» Jury legte seine Karte auf das Tablett. Sie nickte. «Einen Moment, Sir.»
    Sie verschwand durch eine Doppeltür, die sie sorgsam hinter sich zuzog.
    Einen Augenblick später war sie zurück und wirkte beinahe

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