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Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Inspektor Jury spielt Katz und Maus

Titel: Inspektor Jury spielt Katz und Maus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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Stunde weggewesen.»
    Sie reichte ihm die Leine. Der Hund wirkte nervös und desorientiert; er war im Schlaf gestört worden und mußte jetzt zurück in dieselbe alte Routine, zu denselben alten Leuten, kurz, er mußte sich wieder wie ein Hund behandeln lassen.
    Der Terrier übernahm das sonnige Plätzchen des Windhundes nur zu gern.
    Regina schaute mit ihren tabakbraunen Augen dem Paar und dem Hund nach. «Gehört das zum Trick?»
    Carrie Fleet lächelte sie an. «Wenn ich etwas sagen darf, Madam –»
    «Darfst du nicht. Na gut. Hier ist Tabitha, und du brauchst gar nicht das Gesicht zu verziehen. An dem Namen gibt’s nichts auszusetzen.»
    Tabitha ließ sich zu Carries Füßen nieder, und die Baronin ging. Auf der Treppe drehte sie sich um, neugierig. «Was wolltest du denn sagen?»
    «Sie scheinen Menschen nicht sonderlich zu vertrauen.»
    «Schlauköpfchen. Stimmt.»
    «Ich auch nicht», sagte Carrie Fleet trotzig.
    Erste Bande gegenseitiger Neugier und gegenseitigen Mißtrauens waren geknüpft.
    Carrie war für die Baronin das erste interessante Ereignis, seit der Baron tot war.

11
    D IE V ERHANDLUNGEN ÜBER DAS L EBEN von Carrie Fleet wurden in der Nähe der Ostindiendocks geführt, allerdings nicht in der neuerdings schicken Gegend, wo Leute, die in den Mews in Kensington oder Chelsea wohnen und begriffen haben, daß die Nähe zu Harrods nichts Besonderes mehr ist, Lagerhäuser und baufällige Immobilien am Wasser aufkaufen. Erst Innenarchitekten, dann Maler, Schauspieler und pensionierte Brigadegeneräle.
    Das Haus von Joe und Flossie Brindle in der Crutchley Street hatte durchaus Charme, aber er reichte nicht aus, um die Betuchten zu interessieren. Das Gebäude befand sich in einer schäbigen kleinen Straße, wo Pakistani und Inder die Türen und Fenster in Marineblau und Rostrot verschönert hatten – nur die Brindles schienen entschlossen, allem seinen natürlichen Lauf zu lassen, was sowohl ihr Eigentum als auch sie selbst betraf.
    Die Baronin saß auf einer mit einem indischen Tuch drapierten Apfelsinenkiste vor einem Apfelsinenkistentisch und trank aus einem chronisch schmutzigen Becher kaffeefarbenen Tee.
    Mehrere Augenpaare hatten das Taxi, dem sie und Carrie entstiegen waren, durchs Fenster beobachtet. Das letzte Taxi in dieser Straße war vermutlich ein Einspänner gewesen.
    «Also», sagte Joe Brindle, sein Unterhemd wellte sich über dem offenen Gürtel,«Sie sagen, Sie haben für unsere Carrie ein bißchen was zu tun.» Er gab Carrie einen freundschaftlichen Klaps auf den Po, bei dem der Baronin, die weitgereist und mit den Erziehungsmethoden unterschiedlichster Länder vertraut war, leicht unwohl wurde.
    Flossie trank eine Flasche Bass Ale, die dünnen Beine auf der Polstercouch übereinandergeschlagen, und sagte (zum dutzendsten Mal): «Nein, so was aber auch …» Die ganze Zeit spielte sie mit einer ihrer Locken. «Warum machen Sie das eigentlich?»
    Seit die Baronin ihren Silberschnallenschuh aus dem Taxi gesetzt hatte, wollte sie selbst die Frage stellen: Was ging denn in Ihnen vor, als Sie das Mädchen zu sich nahmen? Denn die Brindles strotzten nicht gerade vor Barmherzigkeit und Hilfsbereitschaft. Schon eher vor Sex und Geldgier.
    Es gab jede Menge Kinder, außerdem Hunde und Katzen. Die Vierbeiner wurden offenbar von Carrie versorgt, und die Baronin hoffte, die Brindles wußten, was für ein Glück sie da hatten. Der Rattenterrier Bingo, dem ein halbes Bein fehlte, jaulte und kläffte und vollführte wie ein Zirkustier einen grotesken Freudentanz, als Carrie das Haus betrat. Derlei Kreaturen waren der Baronin ein Graus – aber sie interessierte sich im Grunde nicht für Tiere. Selbst der Bedlington-Terrier gehörte nicht ihr, sondern einem Freund vom Eaton Place. Sie fand es schick, einen Hund herumzuführen. Ob die Hunde und Katzen hier zu Hause waren oder zu Gast – schwer zu sagen. Ein paar balgten sich knurrend um einen schmuddeligen Knochen, worauf Brindle ihnen einen Tritt versetzte. Einer einäugigen Katze, die zu nah an sein Whiskyglas kam, widerfuhr dasselbe Schicksal.
    Ein junges Mädchen döste unter einem Haufen alter Decken auf einem Sofa, das genauso vergammelt war wie das, auf dem Flossie Brindle saß. Das Mädchen war vielleicht drei oder vier Jahre älter als Carrie und hatte sich überhaupt nur bewegt, um eine summende Fliege zu verscheuchen und sich die Nase zu putzen.
    «Also, Joe, ich glaub, mich laust der Affe.» Flossie nahm noch ein Schlückchen Bass Ale

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