Inspektor Jury steht im Regen
Bruch gingen. Während sie ihm versicherte, daß Bobby das wieder aufräumen würde, zog sie ruckend die Musselinvorhänge zu und riß dabei das Ende der Vorhangstange aus der Verankerung, so daß das Ganze entsetzlich schief hing. Nach getaner Arbeit würde sie Bobby heraufschicken, um alles wieder herzurichten.
Schon näherte sich Bobby mit dem Hammer in der Hand und Entschlossenheit im Blick. Selbstverständlich würde er diese Vorhangstange wieder festhämmern, meinte er, bis Melrose ihn überzeugte, daß er Migräne habe und es ihm sowieso egal sei, wer in sein Fenster gucke. Nachdem Bobby derart an einem hingebungsvollen Hämmern gehindert worden war, schleuderte er Melrose einen finsteren Blick zu und verschwand.
Bobbys Stelle wurde jedoch sofort von William eingenommen, der wie ein Klempner mit Notizblock und Bleistift anrückte, um die Schäden an der Toilette einzuschätzen. Aus dem Badezimmer ertönte etwas, das nach einem Reißen klang, danach ein dumpfer Schlag: William war im Wasser der übergelaufenen Toilette ausgerutscht und in die Badewanne gefallen. Dabei hatte er bei dem Versuch, das Gleichgewicht zu halten, den Duschvorhang mit heruntergerissen.
Melrose fragte sich allmählich, ob ein Aufenthalt im Mortal Man möglicherweise von so kurzer Dauer sei, daß jedes Familienmitglied den Gast zumindest einmal sehen wollte, ehe der das Zeitliche segnete.
Als die Tür hinter William ins Schloß krachte, meinte Melrose, das müßten ja nun schon alle gewesen sein, bis er das Kratzen an der Tür hörte.
Offensichtlich hing sein Wohlbefinden wirklich davon ab, daß er sich verdrückte.
In der Dunkelheit vor dem Fenster der Schankstube war zwar wenig zu sehen, doch Melrose empfand diesen Standort zumindest als sicher; denn wenn er plötzlich umkippte, würde ihn vielleicht ein Passant finden und Hilfe herbeirufen. Der Nebel trieb in Schwaden an den Straßenlaternen vorbei. Er lag wie ein Baldachin über dem Bürgersteig und ließ die hindurchwatende Gestalt, einen hochgewachsenen Mann in Schal und Jagdmütze, seltsam verstümmelt erscheinen. Das Gesicht des Mannes war lang und kummervoll, und die Tränensäcke unter seinen Augen erinnerten Melrose an Osmond. Er schüttelte Melrose die Hand und stellte sich traurig als St. John St. Clair, Lucindas Vater, vor. Vielleicht war es die unvermeidliche Tatsache, immer wieder über diesen Namen stolpern zu müssen, die St. John St. Clair so bedrückt und ernst aussehen ließ.
Sie gingen über die Straße zu dem großen alten Wagen, und sobald sie saßen, begann St. John St. Clair, als sei keine Zeit zu verlieren, Melroses Wissenslücken hinsichtlich Essiggurken zu schließen. Offensichtlich war er ein Essiggurken-Baron und erwies sich als recht bissig in seinen Bemerkungen über die hoffnungslose Existenz einer solchen Hoheit. Kein gutes Jahr für Gewürzgurken, schien der Sinn seiner Rede zu sein. Er erzählte das alles, während er das Getriebe seines Uralt-Morris würgte.
St. Clair wuchtete mit dem Handballen den Gang hinein, der Wagen machte einen Satz nach vorn, und sie schossen auf die Fahrbahn. Eine vereiste Stelle brachte sie ins Schleudern, und Melrose klatschte gegen das Armaturenbrett. St. Clair strangulierte nun beinahe das Lenkrad, um den Morris wieder auf Kurs zu bringen, und alles, ohne bei seinen Gurkengeschichten je aus dem Konzept zu geraten.
Melrose seufzte, murmelte etwas und rieb sich die Schulter. Er fragte sich zwar, ob er Somers Abbas jemals lebend verlassen würde, versuchte jedoch gleichzeitig, Verständnis aufzubringen. Drei unverheiratete Töchter zu haben (wie St. Clair ihm ernst mitgeteilt hatte), die alle unterm gleichen Dach lebten, und überdies seine Zeit und sein Talent den Essiggurken gewidmet zu haben, waren vielleicht nicht gerade die tröstlichsten Gedanken in einer Winternacht.
10
A LS DER M ORRIS SCHLITTERND vor dem Steeples zum Stehen kam, hätte Melrose, falls er irgendwelche Anteile an Shrewsbury Pickles and Fine Relishes besessen hätte, sofort seinen Börsenmakler angerufen, so grimmig waren St. John St. Clairs Prognosen für sein Unternehmen ausgefallen. Vielleicht verleiteten ihn die nun bevorstehenden düsteren Monate (der Gastgeber hatte sie so geschildert) zum ständigen Liebäugeln mit der Gefahr im Straßenverkehr. Dem Zusammenstoß mit einem Lieferwagen, einer auf die Fahrbahn hängenden Weide und einer Steinmauer waren sie nur knapp entronnen. Und eben gerade hatte der Wagen den Schnee von einer
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