Inspektor Jury steht im Regen
achten, daß die Kunden immer was zu trinken und Chips haben. Sie wissen schon, zum Spielen.»
«Oh, und ob ich das weiß. Die ganze Sitte weiß es. Sie sehen aus wie eine Brezel.»
Sie wandte ihm den Kopf zu und streckte die Zunge heraus.
«An der verrenkten Takelage könnten Sie glatt noch ein Großsegel hissen.» Carole-anne seufzte und setzte sich auf. «Sie sollten erst mal das Kleid sehen, das ich anhabe …»
«Nein, danke.»
Sie hatte die Hände in die Hüften gestützt. «Mein Gott, Sie sind ja schlimmer als ’ne alte Mutti.» Sie warf den Kopf zurück. Ein erfolgloser Versuch, sich mit dem ganzen Schwall rotgoldener Locken über ihrem Gesicht hochmütig zu geben.
Jury seufzte. Er hatte größtes Verständnis für die alten Muttis dieser Welt, die ihre Kinder davon zu überzeugen versuchten, daß sie nicht tun sollten, was sie sowieso nicht tun wollten. Aber er nahm an, daß die Kinder eben auf irgend jemanden eindreschen mußten, weil sie eine solche Wut auf sich selber hatten und nicht den Nerv, etwas zu unternehmen, das gewöhnlich mit Schmerzen und Gefahr verbunden war.
«Um in diesem Lokal zu arbeiten, müssen Sie einundzwanzig sein. Und Sie sind unter.»
Es war schlimmer, als ihr zu sagen, sie sei häßlich. «Bin nicht unter, sogar schon drüber. Zweiundzwanzig.»
«Ach, tatsächlich? Letzte Woche, als Sie sich um diesen Steno-Job bemüht haben, waren Sie fünfundzwanzig. Weil fünfundzwanzig das gewünschte Alter war. So schwindet das Alter von Deinem göttlichen Antlitz.»
Sie wechselte das Thema. «Wie lange werden Sie denn weg sein?»
«Fünf Minuten. Lang genug, um den Q.T. Club zu schließen.»
«Mein Gott! Hören Sie doch endlich damit auf!» Sie packte ein Kissen.
Jury fühlte einen weichen Schlag an seiner Stirn. «Und was ist mit dem Theater? Sie können ja schlecht nachts arbeiten und Ihren Job dort ebenfalls behalten.»
Sie warf sich wieder auf die Couch. «Ist ja nicht mal West End. Sondern Camden Scheiß-Town! Und das nennen Sie Theater ?»
«Rufen Sie einfach im Club an und erzählen ihnen, es täte Ihnen leid, aber sie müßten verreisen. Ihre alte Mutti liege im Sterben.»
Sie lag jetzt auf der Seite und machte mit den Beinen schnelle Scherenbewegungen. «Dann kommt SB-Strich-H also vorbei?»
«Sie heißt Susan. Ja, auf einen Sprung.»
Carole-anne setzte sich wieder auf und warf ihm aus ihren ägäisblauen Augen einen vernichtenden Blick zu. Zumindest bildete Jury sich ein, daß die Ägäis so blau sein mußte, von einem dunklen, schimmernden Blau, das in einen purpurnen Horizont überging. «Heute abend wollten wir in den Angel gehen.» Sie ließ sich zurückplumpsen wie eine Tote.
«Tut mir wirklich leid, Carole-anne. Ich hätte Susan eigentlich gestern abend treffen sollen und hab’s versäumt.»
Es waren Pluspunkte für ihn, daß er Susan versetzt hatte. Carole-anne ließ sich ein wenig erweichen, spielte die Gelangweilte und ließ eine Espadrille von ihren Zehen baumeln. «Wenn Sie mit ’nem Eis am Stiel ins Bett gehen wollen, von mir aus.»
Jury schloß die Augen, nicht so sehr vor Carole-annes Gemecker, als vielmehr, um das Bild von Susan, das sie gerade heraufbeschworen hatte, ein wenig aufzutauen. «Mit wem ich ins Bett gehe, ist doch wohl meine Sache, meinen Sie nicht auch?»
Nein, meinte sie nicht. Sie begann, den neuen Lack von ihrem Daumennagel zu schälen, und sagte: «Sie sollten lieber aufpassen und nicht mit jeder X-Beliebigen ins Bett hüpfen …»
«Carole-anne.» Es klang gefährlich.
Und irritierte Carole-anne nicht mehr als die Sandale, in die ihr weißes Füßchen gerade probehalber und sozusagen aschenputtelmäßig schlüpfte. «Wie spät ist es eigentlich?»
Jury war mißtrauisch. Carole-anne kümmerte sich nie um die Uhrzeit, wenn sie sich, aus welchem Grund auch immer, in seiner Wohnung aufhielt. Ihm war es so, als hätte er nur einen Teilzeitmietvertrag abgeschlossen. «Halb fünf. Warum?»
Sie stand auf und streckte sich, eine echte Augenweide, das sah selbst ein Blinder. «Oh, ich hab bloß gedacht, ich geh ein bißchen spazieren.» Sie drehte sich mit gestreckten Armen in der Taille. «Wann kommt SB-Strich-H denn?» Rechts herum, links herum …
Als ob sie das nicht wüßte. «Um acht. Warum?»
Sie setzte ihre Freiübungen fort. Jetzt waren tiefe Kniebeugen dran. Gleichzeitig zuckte sie mit den Achseln. «Nur so.» Sie beendete das Ganze mit einem Spagat.
«Sie können den Haus-Cheerleader spielen. Könnten Sie sich nicht
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