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Inspektor Jury steht im Regen

Inspektor Jury steht im Regen

Titel: Inspektor Jury steht im Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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ein bißchen um Mrs. Wasserman kümmern, während ich weg bin? Gehen Sie doch zum Beispiel mal mit ihr zum Bingo in der Upper Street oder so was.»
    Carole-anne hielt auf halbem Wege zum Fußboden inne. «Bingo?» In einem Ton, als hätte er sie gebeten, ein Kloster zu besuchen.
    «Natürlich. Sie hat Busenfreundinnen, die jede Woche hingehen.»
    «Na schön …»
    «Als Belohnung hab ich auch eine Überraschung für Sie.»
    Carole-anne liebte Überraschungen. «Klar, ich geh mit ihr zum Bingo. Seh ich denn nicht sowieso ständig nach Mrs. W.?»
    Das tat sie wirklich. Jury sagte. «Ich habe einen Job für Sie gefunden.»
    Noch immer mißtrauisch, nahm sie die Karte, die er ihr hinhielt. «Ist das die Überraschung? Was ist das denn?» Sie blickte auf die Karte.
    «Sie werden begeistert sein. Sie dürfen ein Kostüm tragen, Carole-anne.»
    Damit hatte er ihre Aufmerksamkeit geweckt. Carole-anne würde im Untertagebau arbeiten, wäre es mit einem Kostüm verbunden. Es war einer der Gründe, warum sie eine begeisterte und gute Schauspielerin war.
    «Was für ein Kostüm?» Ihre Augen leuchteten, als sie sich vom Boden hochrappelte.
    «Oh, so eine Art Satin-Turban gehört dazu. Mit lauter Sternen drauf. Sie dürfen wahrsagen.» Er mußte lächeln, als er ihr breites Lächeln sah. Carole-anne hatte schon eine Menge Spaß daran, Jurys Zukunft vorherzusagen. Und dann erst die Vorstellung, sie auf völlig fremde Menschen loszulassen, von deren tatsächlichem Leben sie nicht die Bohne wußte. Sie würde die Planeten herumschieben, wie es ihr gerade paßte. Auf dem Weg zum Angel hatte sie ihn einmal davon zu überzeugen versucht, daß das funkelnde Licht auf dem Postamt der Halleysche Komet sei.
    «Ist das so eine Art Kirmes? Hab ich einen Stand?»
    «Eigentlich ist es ein Laden. Was den Stand angeht, bin ich mir nicht so sicher.» Er reichte ihr die kleine Karte. «Der Besitzer möchte, daß Sie sofort vorbeikommen. Madame Zostra sollen Sie da heißen», fügte er hinzu. «Madame Zostra, berühmte Hellseherin …» Wo hatte er das nur gelesen?
    «‹Starrdust›, na so was», sagte sie und studierte die Karte. «Was verkaufen die denn da?»
    Jury lächelte. «Oh, Verschiedenes. Träume vielleicht.»
    Carole-anne seufzte und steckte die Karte in den Bund ihrer Shorts. «Wenn SB-Strich-H kommt, haben Sie auch so einen Traum nötig, Super.»
    Ihre Espadrilles schlappten in den Flur und die Treppe hinauf.
     
     
     
    S USAN B REDON -H UNT , DIE BARFUSS und im Seidenteddy im Zimmer herumspazierte, sprach über eine Zukunft, von der sie offensichtlich glaubte, daß sie sie gemeinsam verbringen würden. Sie redete in der Tat eine Menge. Sobald sie in seine Wohnung kam, zog sie sich stets aus, aber nicht, wie er merkte, um sofort mit ihm ins Bett zu gehen oder gar, um auf sympathische Weise wollüstig zu wirken. Anscheinend mußte sie ausgezogen sein, um nachdenken zu können. Hin und her tänzelnd (irgend etwas Pferdehaftes hatte Susan, die an Fuchsjagden teilnahm, schon an sich) zog sie an ihrer Zigarette und trank ihren Wein. Das ballonförmige Glas hielt sie in beiden Händen wie eine kleine Kristallkugel, aus der sie ihre gemeinsame Zukunft las.
    «… und es wird Zeit, daß du Daddy mal kennenlernst, Richard. Ich hab erst heute mit ihm im Claridge’s zu Mittag gegessen, und er möchte, daß du mal auf einen Drink vorbeikommst …»
    Und so weiter. Eigentlich deprimierte es ihn, nur daran zu denken. Das Herrenhaus irgendwo in Suffolk. Eine mit Orden gespickte Familie, die aus allen möglichen Variationen von höchsten Ordensträgern des Britischen Empire bestand. Hier ein Befehlshaber, dort ein paar Offiziere, aber selbstverständlich keine gewöhnlichen Ordensmitglieder. Daddy, erinnerte er sich, war Knight of the Thistle. Jury vermutete, daß er selber irgendeine verwegene Seite in Susan ansprach, den Wunsch, etwas Schockierendes zu tun, wie etwa einen Beamten, einen Polizisten, zu heiraten.
    Er wünschte, sie würde mit ihrem Auf- und Abmarschieren, dem Pläneschmieden und all dem Gerede über eine Zukunft aufhören, die sie mit Sicherheit nie gemeinsam verbringen würden. Sogar ein Streit wegen seines plötzlichen Verschwindens an einem der letzten Abende wäre befreiend gewesen und hätte sie ihm nähergebracht. Doch als er darauf zu sprechen kam, wischte sie die Sache einfach nur beiseite und redete weiter über die Zukunft, ihre gemeinsame Zukunft, als dekoriere sie ein Schaufenster mit irgendwelchen großartig

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