Inspektor Jury sucht den Kennington-Smaragd
aufschwatzen ließen, in die der raffgierigen Makler. Eine weitere Veränderung, die die älteren Dorfbewohner besonders ärgerte, war die neue Schreibweise des Namens, die eingeführt worden war, damit die Touristen das Dorf einfacher finden konnten. Da Little Burntenham sowieso ausgesprochen wurde wie Littlebourne, hatte man beschlossen, es auch so zu schreiben. Man konnte sich also nicht mehr auf Kosten der Fremden amüsieren, die nach dem Ort fragten.
Littlebourne, das in einer hübschen, weiten Landschaft lag und auf einer Seite an den Wald von Horndean grenzte, war zwar ganz nett, aber keineswegs etwas Besonderes, da konnten seine neuen Bewohner noch so viel in Fachwerk, neue Strohdächer und pastellfarbene Tünche investieren. Im Ort gab es eine einzige Straße, die Hauptstraße, die sich ungefähr auf halber Strecke teilte und eine unregelmäßige Fläche sehr gepflegten Rasens, die Littlebourner Grünanlage, einschloß. An der Hauptstraße lagen gerade so viele Geschäfte, daß die Littlebourner nicht in den sechs Kilometer entfernten Marktflecken Hertfield mußten, es sei denn, sie wollten in den zahlreichen Antiquitätenläden dort herumstöbern.
An der Hauptstraße waren auch die vier Ps von Littlebourne angesiedelt, wie sie ein paar Witzbolde genannt hatten: der Pastor, die Post, der Pub und die Polizei. Es gab noch ein fünftes P, auf das die Dorfbewohner jedoch gern verzichtet hätten: Littlebournes ‹Prinz›.
Das fünfte P – Sir Miles Bodenheim – machte gerade einem der anderen Ps die Hölle heiß. Er befand sich in dem Laden, der auch als Postamt diente, und schikanierte die Postmeisterin. Bevor Sir Miles Bodenheim beschlossen hatte, das britische Postsystem auf Trab zu bringen, hatte nur ein einziger Kunde darauf gewartet, bedient zu werden. Jetzt waren es zwölf, die neben den Brotregalen Schlange standen.
«Mrs. Pennystevens, ich bin überzeugt, daß Sie sehr viel schneller wären im Verkauf Ihrer Briefmarken, wenn Sie die zu einem Halfpence getrennt von den andern aufbewahrten. Sie sollten System in die Sache bringen. Ich stehe schon seit zehn Minuten hier und warte darauf, einen Brief aufgeben zu können.»
Mrs. Pennystevens, die fünfzehn Jahre lang einen gichtgeplagten Gatten gepflegt hatte, war praktisch gegen alles gefeit. Sie unterließ es sogar, ihn darauf hinzuweisen, daß allein schon ihr Wortwechsel zehn Minuten gedauert hatte; Sir Miles hatte sich mit ihr über das Gewicht eines Briefes gestritten und behauptet, sie hätte zu viel berechnet. Schließlich hatte sie ihn selbst an die Waage lassen müssen.
Weiter hinten im Schatten der Brotregale hörte man jemanden murmeln: «… einfach bescheuert.»
Sir Miles drehte sich um und lächelte selbstzufrieden, offensichtlich erfreut, daß es noch jemanden gab, der Mrs. Pennystevens’ Arbeitsweise bemängelte. Er wandte sich ihr wieder zu: «Ich glaube immer noch, daß Ihre Waage nicht richtig funktioniert. Aber da läßt sich ja wohl nichts machen. Die Regierung hat nun mal Sie mit diesem Posten betraut. Offen gestanden, Mrs. Pennystevens, ich an Ihrer Stelle würde mir eine neue Brille zulegen. Gestern haben Sie mir bei einem halben Laib Brot zwei Pence zuwenig herausgegeben.»
Die Leute in der Schlange fingen an, unruhig mit den Füßen zu scharren, und die Frau hinter Sir Miles stöhnte, sie habe es schrecklich eilig.
«Richtig», sagte Sir Miles, «bitte beeilen Sie sich, Mrs. Pennystevens. Niemand kann es sich leisten, den ganzen Tag hier zu vertrödeln.»
Mrs. Pennystevens’ Augen waren hart wie Kruppstahl, als sie ihm das Wechselgeld hinschob; er zählte es genau nach, und wie immer nannte er jede Münze, die er in die Hand nahm, bei ihrem Namen. Man hätte meinen können, die Währung des britischen Königreichs oder das Dezimalsystem seien ihm nicht vertraut, so verdutzt blickte er drein. Endlich steckte er das Geld in die Tasche, bedachte die Postmeisterin mit einem kurzen Nicken und nickte erneut, als er an der Schlange vorbeiging, so als würden die Leute nicht anstehen, um Milch und Brot zu kaufen, sondern um von Sir Miles Bodenheim, dem Besitzer von Rookswood, empfangen zu werden. Dann nahm er huldvoll von allen Abschied.
Nachdem er die schwierige Aufgabe vollbracht hatte, seinen Brief aufzugeben, setzte Sir Miles seinen Bummel über die Hauptstraße fort. Er erwog, das Taschentuch zurückzugeben, das er in einem winzigen Textilladen neben dem Süßwarengeschäft erstanden hatte, weil, wie sich später
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