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Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden

Titel: Inspektor Morse 07 - Huete Dich vor Maskeraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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W. Howe, Sprichwörter aus einem Landstädtchen

    Sobald sie müde wurde — dies geschah gewöhnlich in den frühen Abendstunden — , rutschte Miss Sarah Jonstones reichlich groß geratene Brille ein Stück weit die kleine, gerade Nase hinunter. Wenn sie zu dieser Zeit an einem der beiden supermodernen Telefone einen Anruf entgegennahm, konnte man ihrer Stimme anhören, daß die Freundlichkeit nur noch Routine war, und einem noch spät eintreffenden Reisenden mochte auffallen, daß ihr Lächeln etwas gekünstelt wirkte. Ihrem Chef, und das war schließlich die Hauptsache, erschien die schon etwas verblühte Frau von Mitte Vierzig als die ideale Angestellte schlechthin. Sie war jetzt seit fünf Jahren bei ihm beschäftigt. Angefangen hatte sie als bessere Empfangsdame, doch Binyon hatte schnell erkannt, wie tüchtig sie war, und so war sie bald zur Geschäftsführerin aufgestiegen. Allerdings nur inoffiziell, da Binyons Frau Catherine, eine linkische, reizlose Person, darauf bestand, daß diese Funktion, jedenfalls formal, im Briefkopf und in den Prospekten, mit ihrem Namen verknüpft blieb.
    Der Weihnachtstrubel war nun glücklich vorbei, und Sarah Jonstone begann sich auf ihren Urlaub zu freuen — eine Woche alles hinter sich lassen, nichts hören und sehen! Außerdem würde sie um die Silvesterfestivitäten herumkommen, ein weiterer Grund zur Freude; denn sie hatte dem Rummel zum Jahresende aus irgendeinem Grund nie viel abgewinnen können.
    Bereits im November hatte sich gezeigt, daß das von Binyon offerierte Weihnachtsarrangement großen Zuspruch fand. Hauptsächlich — wenn auch nicht ausschließlich aus diesem Grund — hatte er denn auch alles darangesetzt, daß die Umbauarbeiten im frisch hinzuerworbenen Gebäude auf dem Nachbargrundstück zügig vorangingen. Und tatsächlich waren bis zum vierundzwanzigsten die Bauarbeiten so weit abgeschlossen gewesen, daß man die Räume, wenn auch mit etwas Improvisation, hatte belegen können. Eigentlich war es einmal seine Absicht gewesen, das Hotel mit dem Gebäude auf dem Nachbargrundstück durch einen eingeschossigen Gang zu verbinden. Doch obwohl die Entfernung zwischen den beiden Häusern kaum mehr als zwanzig Meter betrug, hatten sich bezüglich einer möglichen Bodenabsenkung, der Notausgänge und Lieferanteneingänge, der Abflüsse und Gasleitungen derartig komplexe Probleme ergeben, daß Binyon schließlich von seinem ursprünglichen Plan Abstand nahm und sich entschied, die Neuerwerbung als räumlich getrennte Dependance zu führen. Selbst diese Lösung war, wie er fand, noch exorbitant teuer. Der riesige gelbe, dem griechischen Großbuchstaben Gamma ähnliche Kran, der nun schon seit Monaten nebenan im Nachbargarten stand, dort, wo früher Chrysanthemen und Fingerhut geblüht hatten, war für ihn zu einem ärgerlichen Symbol geworden. Seit dem Spätsommer hatten Angestellte wie Gäste des Hotels unter der Baustelle zu leiden gehabt und hatten oft nicht recht gewußt, was nun schlimmer war: die ständig staubige Luft oder der unablässige Lärm. Doch als der Winter kam und mit ihm ein November, der einen neuen Rekord an Niederschlag brachte, erschienen sowohl Staub als auch Lärm im nachhinein als völlig unerhebliche Störungen. Denn der Novemberregen hatte die Baustelle langsam, aber sicher in einen Sumpf verwandelt, und der Anblick des zäh-klebrigen, dunkel-orangefarbenen Morastes ließ an Bilder des im Ersten Weltkrieg schwer umkämpften westflandrischen Dorfes Passchendaele denken. Der Schlamm war allgegenwärtig: er klebte an den Rädern der Schubkarren, die die Bauarbeiter benutzten, saß als dicke Kruste auf den Planken, die man ausgelegt hatte, um halbwegs trockenen Fußes von einem Punkt zum anderen zu gelangen, und, was vielleicht am schlimmsten zu ertragen war, verwandelte das Hotelfoyer und auch den Eingang der Dependance, zumindest was die Fußböden anging, in eine Art Stall. Es war ganz klar, daß man unter diesen Bedingungen den Gästen mit den Preisen entgegenkommen mußte, und so ließ Binyon seinen Anzeigen in den Prospekten der Reiseveranstalter den Zusatz anfugen, daß zu Weihnachten und Silvester die Preise für die Zimmer im Hauptgebäude um 15 Prozent, für die drei Doppelzimmer und das Einzelzimmer im Erdgeschoß der erst halbfertigen Dependance sogar um 25 Prozent ermäßigt seien. Und das war nun in der Tat ein günstiges Angebot. Schließlich ruhten während der Feiertage die Bauarbeiten, und es würde weder Lärm noch Staub

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