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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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in der Hölle und nicht draußen im Weltraum. Ich bin an einem Ort, der sich vom Weltraum unterscheidet, Nels. Es ist nur ein Irgendwo, in dem es nur mich gibt. Und in mir ist alles.
    In mir ist alles, was ich je gedacht und je getan und was ich je gewollt habe.
    Alle Gegensätze sind eins geworden. Alles, was ich gehaßt, und alles, was ich geliebt habe – es ist gleich. Alles, was ich gefürchtet, und alles, wonach ich mich gesehnt habe – es ist gleich. Ich sage dir, alles ist jetzt eins, und es macht keinen Unterschied, ob man etwas gewollt und es bekommen oder ob man etwas gewollt und es nicht bekommen hat – die Qual ist gleich.
    Alles, was zählt, sind diese stillen, schönen Momente im Leben, in denen man sich nichts wünscht. In denen man nichts ist. In denen man um nichts kämpft und lebt und die einfachen Dinge wie Wassertropfen auf der Haut genießt, in denen man sich unschuldig fühlt und über nichts nachdenkt.
    Das ist alles, was im Leben eine Rolle spielt, Nels. Und ich bin Tice, und ich spreche zu dir. Und du weißt, daß ich tot bin und dich nicht anlüge.
    Ich lüge nicht, und ich spreche zu dir über diese sowjetische Kapsel, diesen sowjetischen Blechkasten, der zu ihnen zurückkehren und sie in Aufregung versetzen wird.
    Nels, ich hoffe, es stört dich nicht zu sehr, wenn jeder von diesem Mädchen erfährt. Ich hoffe, daß das Mädchen mir vergibt, aber die Botschaft muß an ihr Ziel gelangen.
    Es ist die Furcht, Nels – alles wovor ich mich je gefürchtet habe –, wie im Krieg, und du weißt, wie der Krieg riecht. Er riecht wie ein schmutziges Schlachthaus im Juli. Es riecht schlecht. Es brennt, und es riecht nach brennendem Gummi und brennendem Schießpulver. Ich habe nie an einem großen Krieg mit atomaren Waffen teilgenommen. Ich kenne nur die altmodische Sorte. Ich habe dir davon erzählt, und ich habe Angst gehabt. Und über allem liegt der Duft des Parfüms, welches das Mädchen in dem Hotel dort in Melbourne benutzt hatte, das Mädchen, das ich zu lieben glaubte, bis sie etwas sagte und ich etwas sagte, und das war dann alles. Und nun bin ich tot.
    Und hör zu, Nels …
    Hör zu, Nels, ich spreche, und es ist wie bei einem Trick. Ich habe keine Ahnung, wieso ich von den anderen weiß – den anderen, die so wie ich tot sind. Ich habe nie einen von ihnen getroffen, und vielleicht werde ich nie mit einem reden. Ich habe nur das Gefühl, daß sie hier irgendwo in der Nähe sind. Sie können nicht sprechen.
    Es ist nicht nur so, daß sie nicht sprechen können.
    Sie wollen nicht einmal sprechen.
    Sie haben nicht den Wunsch dazu. Sprechen ist nur ein Trick. Es ist ein Trick, den man lernen kann, und ich schätze, es erfordert einen unnützen, überflüssigen Mann, einen Mann, der sein Leben trotz der Hölle gelebt hat und sich nun in dieser Hölle befindet. Das ist die törichte Art Mann, die nötig ist, um sich an den Trick zu erinnern, den das Sprechen darstellt. Wie ein Trick mit Münzen oder ein Trick mit Zigaretten, wenn alles andere unwichtig ist.
    Also spreche ich zu dir, Nels, ich glaube, du wirst auf die gleiche Art wie ich sterben. Es spielt keine Rolle mehr, Nels. Es ist zu spät, um etwas daran zu ändern – das ist alles.
    Leb wohl, Nels, du bist ein guter Kerl. Du hast dein Leben gelebt. Du hast den Wind in deinen Haaren gespürt. Du hast das freundliche Sonnenlicht gesehen, und du hast nicht zuviel geliebt und gefürchtet und gehaßt.
    Als der alte Mann fertig war, baten der FBI-Agent und ich ihn, es zu wiederholen.
    Er weigerte sich.
    Wir eilten zum Flughafen. Wir nahmen das Band mit uns, aber den Inhalt hatten wir bereits telegraphisch nach Washington übermittelt.
    Das ist das Ende der Geschichte und das Ende des Scherzes. Potariskow erhielt eine Kopie, und der sowjetische Botschafter erhielt eine Kopie.
    Und wahrscheinlich wunderte sich Chruschtschow über den verrückten Streich, den die Amerikaner ihm gespielt hatten. Ein Medium oder etwas ähnlich Albernes in Verbindung mit unterbewußter Wahrnehmung zu benutzen, um die UdSSR anzugreifen, weil sie nicht an Gott und nicht an den Tod glaubte? Waren das seine Gedanken?
    In diesem Fall hoffe ich, daß die sowjetische Spionage gut funktioniert. Ich hoffe, ihre Spione finden heraus, wie verwirrt wir sind. Ich hoffe, sie erkennen, daß wir an einem toten Punkt angelangt sind und daß wir Amerikaner nichts mit dem zu tun haben, was Tice Angerhelm oder sonst jemand in seinem Namen dort draußen im Weltraum dem sowjetischen

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