Instrumentalität der Menschheit
auf, um an der Nachahmung eines antiken Rituals von der alten Menschenheimat teilzunehmen, bei dem eine Krone aus goldenen Blättern auf Laris Haar gesetzt wurde.
Während seiner Abwesenheit vernahm Lord Kemal in seinem Rücken zahllose Flüsterstimmen und fing Satzfetzen wie »… tanzt mit den Aroi …«, »… der alte Gouverneur wird sich freuen …« und »… zu schlimm, daß seine Mutter …« auf. Madu schien sie nicht zu hören.
Nach den Feierlichkeiten und der Rückkehr des Gouverneurs und seiner Begleitung in den Palast erinnerte sich Lord Kemal an die merkwürdigen Worte. Insbesondere verwirrte ihn das Tempus von »… der alte Gouverneur wird sich freuen …« und nicht hätte sich gefreut. Er ging ihm nicht aus dem Sinn und quälte ihn wie ein Splitter in einem entzündeten Finger. Seine Seele erholte sich noch von den Wunden der Angstmaschinen, und er durfte keine weitere Infektion riskieren.
Während Kuat an seinem zweiten Glas Dju-di nippte, fragte Lord Kemal so gelassen wie möglich: »Wie lange sind Sie schon Gouverneur von Xanadu, Kuat?«
Kuat blickte auf und registrierte die Spannung, die sich hinter der Gelassenheit der plötzlichen Frage verbarg.
»Ich war noch ein Baby …« begann Lari.
Kuat brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Seit vielen Jahren«, erklärte er. »Spielt die Zahl eine Rolle?«
»Nein, ich war nur neugierig«, entgegnete der Raumlord und entschied sich, teilweise aufrichtig zu sein. »Ich dachte, das Amt des Gouverneurs von Xanadu sei erblich, aber heute habe ich etwas gehört, was mich glauben ließ, daß der alte Gouverneur, ihr Vater, noch immer leben würde.«
Bevor Kuat ihn zum Schweigen bringen konnte, platzte Lari hervor: »Aber er lebt. Er ist bei den Aroi … deshalb ist meine Mutter …«
Kuats finsterer Blick ließ ihn verstummen.
»Diese Dinge gehen die Instrumentalität nichts an. Sie sind allein Angelegenheit Xanadus, und unsere lokalen Bräuche werden geschützt durch Artikel 376984, Absatz A, Paragraph 34 c des Vertrages, durch dessen Unterschrift sich Xanadu unter den Schutz der Instrumentalität begeben hat. Ich kann dem Lord versichern, daß allein lokale Angelegenheiten von gänzlich autochthonem Ursprung davon betroffen sind.«
Lord Kemal nickte scheinbar zustimmend. Er spürte, daß er einen weiteren kleinen Zipfel des Geheimnisses gelüftet hatte, das ihn mehr als alles andere seit Styron IV beschäftigte.
3
Am vierten Tag seiner Anwesenheit auf Xanadu unternahm Lord Kemal zusammen mit Madu und Lari seinen ersten Ausflug außerhalb der Stadtmauern seit seiner Ankunft. Inzwischen hatte ihn Zuneigung zu der Katze Griselda erfaßt. Es bereitete ihm außerordentliche Freude, wenn sie ein lautes, wohliges Schnurren abgab und sich hinlegte, damit er aufsteigen konnte, ohne daß dazu ein Befehl nötig war.
Er sah Tiere in einem neuen Licht. Ihm war klargeworden, daß Untermenschen – modifizierte Tiere in der Gestalt von Menschen – weder das eine, noch das andere waren. Oh, es gab Untermenschen von großer Macht und hoher Intelligenz, aber … Er verfolgte den Gedanken nicht weiter.
Gleichermaßen von Glück erfüllt, eilten sie über die Ebene. Windumpfiffen und baumlos, wie er war, besaß der kleine Planet eine einzigartige, wilde Schönheit. Die schwarze See brandete gegen die Kalkklippen. Beim Anblick der Sandflächen wurde Kemal erneut die Fremdartigkeit dieser Landschaft bewußt. In der Ferne sah er einen großen Vogel, wie er sich in den Himmel schwang, zu taumeln begann und stürzte.
Später, viel später, als er den Computer mit den Daten jener Zeit und jenes Ortes fütterte, schrieb die Maschine ein Gedicht, das in allen Galaxien bekannt wurde:
Auf einem Berg, so dunkel,
Einsam unter Sterngefunkel,
Machte der Adler Rast.
Und der Wind pfiff und grollte,
Der Donner rollte.
Und des Sterngefunkels Fluch
Bildete des Adlers Leichentuch,
Während er zu Boden sank,
Mit Schwingen, zerfetzt und krank.
Und die Brandung
Am Fuß
Der Klippe
War sacht
In dieser Nacht
Von der Schwingen
Pracht
Nach dem Sturz
Des Vogels.
Ich hörte
Den Schrei.
Vielleicht war es ein Beweis für die Tiefe seiner Gefühle, daß der Lord Kemal diese Daten dem Computer auf eine Weise eingab, die etwas von seinem Schmerz ausdrückte.
Madu und Lari verfolgten ebenfalls den Sturz des Vogels, und ihre Ausgelassenheit wurde verdrängt von etwas, das sie nicht ganz verstehen konnten.
»Aber warum?« flüsterte
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