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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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lassen, sie zu gewinnen. Die Befreiung Indiens liegt noch in weiter Ferne, aber wenn wir marschieren müssen, um den Indern zu helfen, die amerikanischen Imperialisten aus ihrem Land zu werfen, dann können wir es uns nicht erlauben, daß sich in unserem Einflußgebiet noch unsichere Regionen befinden. Überstürze nichts, Farrer. Sorg dafür, daß du deine Arbeit sorgfältig ausführst, und versuche, mit jedem Freundschaft zu schließen, sofern er nicht zu den imperialistischen reaktionären Elementen gehört.«
    Farrer nickte feierlich. »Du meinst, Genosse Oberst, daß ich mit allen Freundschaft schließen muß?«
    »Mit allen«, bestätigte der Oberst ernst.
    Farrer war jung und deshalb ein wenig übereifrig. »Ich bin militanter Atheist, Oberst. Muß ich auch zu Priestern freundlich sein?«
    »Auch zu Priestern«, erwiderte der Oberst nickend.
    Der Oberst sah Farrer scharf an. »Du freundest dich mit allen Leuten an, mit allen, nur nicht mit Frauen. Hast du mich verstanden, Genosse? Bring dich nicht in Schwierigkeiten.«
    Farrer salutierte und kehrte an seinen Schreibtisch zurück, um alles für die Reise vorzubereiten.
    Drei Wochen später passierte Farrer die kleinen Wasserfälle, die zu dem Strom des Goldenen Sandes, dem Chinsha chiang, führten, wie der Lange Fluß oder Yangtze von den Einheimischen genannt wurde.
    Hinter ihm trottete Parteisekretär Kungsun. Kungsun war ein Aristokrat aus Peking, der in seiner Jugend der Kommunistischen Partei beigetreten war. Er besaß ein scharfgeschnittenes Gesicht und eine durchdringende Stimme, und er hatte seine aristokratische Herkunft verdrängt und war zu dem überzeugtesten Kommunisten im gesamten Nordwesten Yunnans geworden. Da sie nur über einen kleinen Trupp Soldaten und eine große Zahl einheimischer Träger für ihre Vorräte verfügten, begleitete sie ein Offizier der alten Volksbefreiungsarmee, um ihr militärisches Wohlergehen zu sichern und ein Auge auf Farrers technische Fähigkeiten zu werfen. Genosse Hauptmann Li, ein rundlicher, heiterer Mann, kletterte erschöpft und schwitzend hinter ihnen die steile Felswand hinauf.
    »Wenn ihr Helden der Arbeit sein wollt, dann klettert weiter«, rief er ihnen zu, »aber wenn ihr eurer militärischen Vernunft gehorcht, dann laßt uns rasten und eine Tasse Tee trinken. Vor Sonnenuntergang werden wir Pakouhu ohnehin nicht mehr erreichen.«
    Kungsun sah sich verächtlich um. Die Kolonne der Soldaten und Träger zog sich zweihundert Meter lang dahin, und wie eine Schlange aus Staub klebte sie am Felshang des Berges. Aus dieser Perspektive sah er auf die Mützen der Soldaten und auf die Läufe ihrer Gewehre, die sie während des Aufstiegs nach oben gerichtet hielten. Er sah auf die tuchumwickelten Köpfe der freiwilligen Träger, und er wußte intuitiv, daß sie ihn mit den gleichen Worten verfluchten, mit denen sie in der Vergangenheit auch ihre kapitalistischen Unterdrücker verflucht hatten. Weit unter ihnen wand sich das Band des Chinsha chiang wie ein Streifen Gold durch das Graugrün des im Zwielicht liegenden waldbedeckten Landes.
    Er spuckte auf den Armee-Hauptmann. »Wäre es nach dir gegangen, würden wir jetzt noch immer in dieser Schänke sitzen und heißen Tee trinken, während die Männer faulenzen.«
    Der Hauptmann war nicht gekränkt. Er hatte schon viele Parteisekretäre kommen und gehen sehen. Im neuen China war es viel sicherer, ein Hauptmann zu sein. Einige der Parteisekretäre, die er gekannt hatte, waren sehr wichtige Männer gewesen. Einer war sogar bis nach Peking gelangt und hatte dort ganz für sich allein einen Buick sowie drei Parker-Kugelschreiber zur Verfügung gestellt bekommen. Nach dem Maßstab der kommunistischen Bürokratie war man damit dem Zustand absoluter Seligkeit sehr nahe gekommen. Hauptmann Li hatte kein Interesse daran. Zwei kräftige Mahlzeiten am Tag und immer neue patriotische Bauernmädchen, vorzugsweise solche, die mollig waren, erfüllten seine Ansprüche an ein befreites China.
    Farrers Chinesisch war schlecht, aber er kannte den Wert eines Argumentes. In holprigem, aber verständlichem Mandarin rief er: »Kommt, Genossen. Wir schaffen es bis zum Einbruch der Nacht vielleicht nicht bis zum See, aber wir können auch nicht unser Lager auf dieser Felswand aufschlagen.« Er pfiff Ich hatt’ einen Kameraden durch die Zähne, während er an Kungsun vorbeikletterte und sich an die Spitze der Expedition setzte.
    Deshalb war es Farrer, der sich als erster über den Rand der

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