Instrumentalität der Menschheit
tut mir leid. Ich meinte das nicht so.«
Dieses Mal antwortete ihm A’dolar. »Doch, genauso meinten Sie das. Und das sind wir auch, aber warum so verächtlich? Wir sind alle, was wir sind.«
»Ich habe mich geärgert, weil Sie Ihre Gedanken vor mir, einem Raumlord, verborgen haben. Sie haben das Recht, vor jedermann Ihr Bewußtsein abzuschotten. Ich entschuldige mich.«
A’dolar nahm würdevoll die Entschuldigung an. »Ich hatte meine Gründe, meine Gedanken zu verbergen. Ich wollte mir darüber klarwerden, wie ich es Ihnen sagen soll. Und ich mußte genau wissen, welche Gefühle Sie dem Mädchen Madu und dem Jungen Lari entgegenbringen, bevor ich offen sprekken kann.«
Lord bin Permaiswari war beschämt. Er hatte sich wie ein Kind benommen und nicht wie ein Raumlord. Er versuchte, mit völliger Ehrlichkeit zu sprekken: »Ich bin sehr besorgt um den Jungen Lari. Und was Madu betrifft, müssen Sie wissen, daß sie starke Anziehungskraft auf mich ausübt, aber zuerst muß ich herausfinden, was mit dem Jungen geschehen ist und wie sie zu ihm steht.«
A’dolar nickte. »Ich hatte gehofft, daß Sie so sprekken werden. Wir haben Lari gefunden. Er ist für den Rest seines Lebens verkrüppelt.«
Lord Kemal atmete so heftig ein, daß seine Kehle schmerzte. »Was meinen Sie damit?«
»Kuat hat durch seinen Veterinär dem Jungen die Wadenmuskeln entfernen lassen und sie seinem Lieblingspferd Gogle einsetzen lassen. So wird das Pferd ein weiteres Rennen mit voller Geschwindigkeit durchstehen können und all jene narren, die gegen Kuat gewettet haben. Es ist unwahrscheinlich, daß eine neue Operation den Jungen wieder in die Lage versetzen wird zu gehen, vom Laufen und Tanzen ganz zu schweigen.«
Der Raumlord war wie betäubt. Nur verschwommen nahm er wahr, daß A’dolar noch immer sprakk.
»Wir werden den Jungen im Rollstuhl zum morgigen Pferderennen bringen. Sie werden Madus Hilfe benötigen. Dann können Sie entscheiden, was zu tun ist.«
Bis zum Rennen am nächsten Tag bewegte sich Lord Kemal wie in einem Traum, den er leidenschaftslos verfolgte. Nur einmal sprakk A’dolar zu ihm. »Wir müssen die Untoten mit einem Schlag auslöschen«, sagte er. »Morgen, nach dem Rennen, wenn alle feiern, bietet sich die günstigste Gelegenheit. Kümmern Sie sich um Kuat, und ich werde alles andere veranlassen.«
Ängstlich, unglücklich und so erschöpft wie schon lange nicht mehr seit Styron IV, begleitete Lord Kemal bin Permaiswari Madu und Gouverneur Kuat zum Pferderennen. In ihrer Loge saß Lari mit bleichem Gesicht, abgemagert und sichtlich gealtert in einem Rollstuhl. »Warum?« sprakk-schrie der Raumlord.
A’dolars Stimme klang ruhig. »Kuat hielt sich wirklich für einen guten Menschen. Jetzt, wo der verkrüppelte Junge neben ihm sitzt, kann er nicht mehr der Raumheld sein, für den ihn das Volk von Xanadu gehalten hat. Kuat glaubte, daß er auf diese Weise Lari vor der Übernahme durch einen Untoten bewahren würde. Er hat nicht erkannt, daß er dem Jungen den Lebenssinn genommen hat – ebensogut hätte der Untote an seine Stelle treten können.«
Madu schluchzte. Kuat strich ihr mit einer Geste über das Haar, die er für rauhe Freundlichkeit hielt. »Wir werden uns um ihn kümmern. Und, Venus! Wir werden die Wetter heute zum besten halten! Sie glauben, Gogle könne nicht mehr rennen. Was werden die sich wundern! Natürlich ist es nur für dieses eine Rennen, aber das ist es wert!«
Das ist es wert, dachte der Raumlord. Laris restliches Leben, das er als Krüppel verbringen muß, ohne jemals in der Lage zu sein, das zu tun, was er am meisten liebt.
Das ist es wert, dachte Madu. Niemals wieder wird er tanzen, niemals wieder laufen, niemals wieder den Wind in seinen Haaren spüren, während ihm die Menge zujubelt.
Das ist es wert, dachte Lari. Was spielt es jetzt schon noch für eine Rolle?
Gogle gewann mit einer halben Runde Vorsprung.
Aufgeregt verabschiedete sich Kuat von den anderen. »Wir sehen uns im Hauptsalon des Palastes. Ich muß jetzt meinen Gewinn abholen.«
Madus Gesicht wirkte wie aus Marmor gehauen, als sie Lari zu einem Spezialwagen schob, der von zwei Katzen gezogen wurde und vor dem Stadion wartete. Wortlos bestieg Lord Kemal Griselda. Er sehnte sich danach, allein zu sein.
Mit großen Sätzen ließen sie die Stadtmauern hinter sich. Lord Kemal hörte einen Schrei vom Stadttor, aber er schenkte dem keine Beachtung. Mit den Gedanken war er bei Lari. Ein weiterer Ruf. Ein weiterer
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