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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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unser Freund hier wird dir sagen, daß auch in der Kommunistischen Partei Chinas kein Platz für dich ist. Wir möchten, daß du glücklich bist. Du scheinst ein sehr freundlicher Dämon zu sein. Warum verläßt du nicht einfach das Land? Die Kapitalisten werden dich mit offenen Armen empfangen. Sie sind sehr reaktionär und sehr religiös. Vielleicht findest du unter ihnen sogar Leute, die bereit sind, an dich zu glauben.«
    Der Marsianer veränderte sich von einem rundlichen Buddha in einen jungen Chinesen, einen Maschinenbaustudenten an der Universität der Revolution in Peking. In der Gestalt des Studenten entgegnete er: »Ich möchte nicht, daß man an mich glaubt. Ich möchte Maschinenbau studieren und alles über die westliche Wissenschaft lernen.«
    Kungsun kam Farrer zu Hilfe. »Es ist sinnlos, daß du dich als kommunistischer Ingenieur ausgibst«, sagte er. »Du machst auf mich den Eindruck eines sehr zerstreuten Dämons, und ich glaube, daß du irgendwann deine Vorsätze vergißt und wieder deine Gestalt wechselst, wenn du versuchst, dich als Mensch auszugeben. Das würde die Moral jeder Klasse zerstören.«
    Der Marsianer sagte sich, daß der junge Mann in diesem Punkt vermutlich recht hatte. Er haßte es, länger als eine halbe Stunde die gleiche Erscheinungsform aufrechtzuerhalten. Es machte ihn krank. Außerdem mochte er es, von Zeit zu Zeit das Geschlecht zu wechseln; es erfrischte ihn. Er verriet dem jungen Mann nicht, daß Kungsun mit seiner Bemerkung einen wunden Punkt getroffen hatte, aber er nickte zustimmend und fragte: »Aber wie kann ich dieses Land verlassen?«
    »Du mußt nur gehen«, murmelte Kungsun müde. »Einfach gehen. Du bist ein Dämon. Du kannst alles tun.«
    »Das kann ich nicht«, schnappte der Marsianer. »Ich muß schon etwas in der Hand haben, das aus Amerika stammt, wenn ich nach Amerika will.«
    Er wandte sich an Farrer. »Es hat keinen Sinn, daß du mir etwas gibst. Wenn du mir etwas Russisches gibst, werde ich in Rußland auftauchen, und wie du sagst, will man dort ebensowenig einen kommunistischen Marsianer haben wie in China. Außerdem verlasse ich nur ungern meinen wunderschönen See, aber ich befürchte, daß mir keine andere Wahl bleibt, wenn ich die westliche Wissenschaft kennenlernen will.«
    »Ich habe eine Idee«, rief Farrer. Er streifte seine Armbanduhr ab und reichte sie dem Marsianer.
    Der Marsianer untersuchte sie. Vor vielen Jahren war die Uhr in den Vereinigten Staaten von Amerika hergestellt worden. Durch einen G.I. war sie in die Hände eines deutschen Fräuleins gelangt, und die Großmutter des Fräuleins hatte die Uhr bei einem Rotarmisten gegen drei Sack Kartoffeln eingetauscht, und der Rotarmist hatte sie dann für fünfhundert Rubel an Farrer verkauft, als die beiden einander in Kuibyschew begegnet waren. Ziffernblatt und Zeiger waren mit Radium beschichtet. Der kleine Zeiger fehlte, und der Marsianer materialisierte einen neuen. Er mußte mehrere Male seine Form verändern, bevor er paßte. Auf der Uhr stand in Englisch: M ARVIN W ATCH C OMPANY . Im unteren Teil des Ziffernblattes war der Name einer Stadt eingraviert: W ATERBURY , C ONN .
    »Wo liegt der Ort Waterbury, Conn.? « fragte der Marsianer Farrer.
    »Conn. ist die abgekürzte Bezeichnung für einen der amerikanischen Bundesstaaten. Wenn du vorhast, ein reaktionärer Kapitalist zu werden, dann ist das der richtige Ort für dich.«
    Noch immer bleich im Gesicht, aber mit schmeichlerischer Stimme fügte Kungsun hinzu: »Ich glaube, dir wird Coca-Cola schmecken. Sie ist sehr reaktionär.«
    Der Marsianer runzelte die Stirn. Noch immer hielt er die Uhr in der Hand. »Mir ist es gleich, ob sie nun reaktionär ist oder nicht. Ich möchte nur in ein sehr wissenschaftliches Land.«
    »Es gibt keine wissenschaftlichere Stadt als Waterbury, Conn. – und vor allem ist Conn. das wissenschaftlichste Land, das es in Amerika gibt, und ich bin überzeugt, daß man dort pro-marsianisch eingestellt ist und dich in eine der kapitalistischen Parteien aufnehmen wird. Man wird sich dort nicht an deiner Herkunft stören. In den Kommunistischen Parteien hättest du nur einen Haufen Ärger.«
    Farrer lächelte, und seine Augen leuchteten auf. »Außerdem«, lockte er, »kannst du meine Uhr behalten; für immer.«
    Der Marsianer runzelte die Stirn. Mehr zu sich selbst sagte er: »Mir scheint, der chinesische Kommunismus wird binnen acht Jahren, achthundert Jahren oder achtzigtausend Jahren zusammenbrechen.

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