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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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neunzig, und das in einer Zeit, in der viele Menschen hundertfünfzig Jahre alt wurden. Wallenstein war gealtert durch die Pein, die seelische Belastung erzeugte, doch diese Belastung war keine Folge der Angst oder des Konkurrenzkampfes oder eines schlechten Gesundheitszustandes.
    Sie war von subtilerer Natur – eine Empfindsamkeit, aus der einzigartiger Schmerz erwuchs.
    Dennoch war die Belastung real.
    Der junge Lieutenant war erstaunt, daß er gleich bei seiner ersten Begegnung mit dem Kommandeur auf instinktive emotionale Weise dem Mann Sympathie entgegenbrachte, der den Befehl über die gesamte Organisation besaß.
    »Ihr Name?«
    »Gordon Greene«, erklärte der Lieutenant.
    »Ist das Ihr Geburtsname?«
    »Nein, Sir.«
    »Wie hießen Sie ursprünglich?«
    »Giordano Verdi.«
    »Warum diese Änderung? Auch Verdi ist ein großer Name.«
    »Er ist für viele Leute schwer auszusprechen, Sir. Ich habe mich so gut es ging danach gerichtet.«
    »Ich habe meinen Namen behalten«, sagte der alte General. »Ich schätze, es ist eine Frage des Geschmacks.«
    Der junge Lieutenant hob seine Hand, seine linke Hand, die Handfläche nach außen gekehrt, in dem neuen Gruß, der von den Psychologen entwickelt worden war. Er wußte, daß in jedem Moment die militärische Form fallengelassen werden und der Unteroffizier um die Erlaubnis bitten konnte, von Mann zu Mann zu reden. Er kannte den Gruß, doch in dieser Umgebung traute er ihm nicht.
    Der General reagierte sofort. Er grüßte ebenfalls mit der linken Hand, die Handfläche nach außen gekehrt.
    Das breite, müde, weise, zerfurchte alte Gesicht blieb unbewegt. Der General war wachsam. Seine Augen drückten unverbindliche Freundlichkeit aus. Der Lieutenant war überzeugt, daß sich bis auf zahllose unenträtselte Probleme nichts hinter diesen Augen verbarg.
    »Ist das ein Verhör, General?« fragte der junge Lieutenant. »Haben Sie etwas Bestimmtes mit mir im Sinn? Falls dies der Fall ist, Sir, muß ich Sie warnen; man hat herausgefunden, daß ich psychologisch instabil bin. Das Personalbüro macht nur selten Fehler, aber vielleicht hat man mich doch irrtümlich hierhergeschickt.«
    Der General lächelte. Das Lächeln wirkte mechanisch. Es war lediglich eine Muskelbewegung und nicht Ausdruck einer menschlichen Regung. »Sie werden schon dahinterkommen, was ich mit Ihnen im Sinn habe, wenn wir miteinander sprechen, Lieutenant. Gleich wird sich ein weiterer Mann zu uns gesellen und Ihnen eine Vorstellung davon verschaffen, welche Wendung Ihr Leben nehmen wird. Sie wissen sehr gut, daß Sie darum gebeten haben, an den Expeditionen in den interstellaren Raum teilzunehmen, und was mich betrifft, so bin ich damit einverstanden. Die Frage ist jetzt: Wollen Sie es wirklich? Ist Ihr Wunsch stark genug?«
    »Ja, Sir«, versicherte der Lieutenant.
    »Gut. Der Grund dafür ist mir gleichgültig. Wir wollen nicht zu psychoanalytisch werden. Das ist unnötig, nicht wahr?«
    Erneut schenkte der General dem Lieutenant ein knappes Lächeln.
    Wallenstein gab seinem Adjutanten einen Wink, und er sprang beflissen auf.
    »Lassen Sie ihn herein«, befahl Wallenstein.
    »Jawohl, Sir«, nickte der Adjutant.
    Die beiden Männer warteten neugierig. Mit flinken, energischen, gutgelaunten Schritten betrat ein zweiter Lieutenant das Zimmer.
    Gordon Greene hatte noch niemanden gesehen, der sich mit diesem Lieutenant vergleichen ließe. Der Lieutenant war alt, fast so alt wie der General. Sein Gesicht war faltenlos und besaß einen fröhlichen Ausdruck. Die Muskeln seiner Wangen und seiner Stirn verrieten Zufriedenheit, Entspannung, eine positive Einstellung zum Leben. Der Lieutenant trug die drei höchsten Auszeichnungen der Raumfahrtbehörde. Es gab keine höheren, und dennoch war er, der alte Mann, noch immer ein Lieutenant.
    Lieutenant Green war dies rätselhaft. Er wußte nicht, wer dieser Mann war. Für einen jungen Mann war es nicht ungewöhnlich, Lieutenant zu sein, aber nicht für einen Mann in den Siebzigern oder Achtzigern. Leute in diesem Alter waren Colonels oder pensioniert oder entlassen.
    Oder sie waren in das Zivilleben zurückgekehrt.
    Der Weltraum war eine Sache für junge Menschen.
    Der General erhob sich und begrüßte höflich seinen Altersgenossen. Lieutenant Greenes Augen weiteten sich. Das war ebenfalls sonderbar. Der General war nicht gerade für seine Höflichkeit bekannt.
    »Setzen Sie sich, Sir«, bat der fremde alte Lieutenant.
    Der General setzte sich.
    »Was wollen Sie

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