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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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nicht deine Bitten erfüllen? Mach ihn los. Und sprich mit mir. Wir werden tun, was du willst. Alles. Auch du hast Rechte.«
    Sein Gelächter erinnerte sehr an ein verrücktes Kreischen.
    Er schob sein Gesicht ganz nahe an ihres heran und sprach so heftig, daß sein Speichel ihre Wange und ihr Ohr benetzte.
    »Ich will keine Rechte!« rief er ihr zu. »Ich will nicht das, was mir zusteht. Ich will nicht das Richtige tun. Glaubst du, ich habe euch beide nicht gehört, Nacht für Nacht, eure leisen Liebeslaute, sobald es dunkel in der Kabine wurde? Warum, meinst du, habe ich die Würfel aus dem Schiff geworfen? Warum, meinst du, verlangt es mich nach Macht?«
    »Ich weiß es nicht«, gestand sie traurig und sanft. Sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Solange er sprach, war es möglich, daß er sich aussprach und wieder vernünftig wurde. Sie hatte von Robotern gehört, deren Schaltkreise durchgebrannt waren, so daß sie von anderen Robotern zur Strecke gebracht werden mußten. Aber nie hatte sie geglaubt, daß derartiges auch Menschen zustoßen konnte.
    Talatashar stöhnte. Die Geschichte der Menschheit lag in seinem Stöhnen – der Zorn über das Leben, das soviel versprach und so wenig hielt, und die Verzweiflung über die Zeit, die den Menschen überlistete, während sie ihn formte. Er lehnte sich in der Luft zurück und sank hinunter zum Kabinenboden, dessen magnetischer Belag die feinen Eisenfäden in ihrer Kleidung anzog.
    »Du glaubst, er wird darüber hinwegkommen, nicht wahr?« fragte er und meinte damit sich selbst.
    Sie nickte.
    »Du glaubst, er wird vernünftig werden und uns beide in Ruhe lassen, nicht wahr?«
    Sie nickte erneut.
    »Du denkst dir – dieser Talatashar, er wird wieder in Ordnung kommen, wenn wir Wereld Schemering erreichen, und die Ärzte werden sein Gesicht richten, und wir werden dann wieder glücklich sein. Das denkst du doch, oder?«
    Sie nickte. Hinter ihr stieß Trece trotz seines Knebels ein lautes Ächzen aus, aber sie wagte nicht, ihren Blick von Talatashar und seinem verdorbenen, schrecklichen Gesicht zu wenden.
    »Nun, so wird es aber nicht sein, Veesey«, fuhr er fort. Die Endgültigkeit im Klang seiner Stimme war fast sanft.
    »Veesey, du wirst nicht dorthin gelangen. Ich werde tun, was ich tun muß. Ich werde dir Dinge antun, die nie zuvor im All geschehen sind, und dann werde ich deinen Leichnam durch die Abfallklappe werfen. Aber ich werde Trece bei alldem zuschauen lassen, bevor ich auch ihn töte. Und dann – weißt du, was ich dann tun werde?«
    Ein merkwürdiges Gefühl – wahrscheinlich war es Furcht – begann ihr die Kehle zuzuschnüren. Ihr Mund war trocken geworden. »Nein, ich weiß nicht, was du dann tun wirst …«
    Talatashar sah aus, als ob er in sich hineinlauschte.
    »Ich weiß es auch nicht«, sagte er, »ich weiß nur, daß ich es in Wirklichkeit gar nicht möchte. Ich möchte es tatsächlich nicht. Es ist grausam und schmutzig, und wenn ich damit fertig bin, wird keiner von euch beiden mehr da sein, und ich werde nicht mehr mit euch sprechen können. Aber ich muß es tun. Auf eine sonderbare Art ist es gerecht. Du mußt sterben, weil du schlecht bist. Und ich bin ebenfalls schlecht; aber wenn du stirbst, werde ich nicht mehr so schlecht sein.«
    Offen sah er sie an und schien in diesem Moment fast normal zu sein. »Weißt du, wovon ich spreche? Verstehst du das überhaupt?«
    »Nein. Nein. Nein«, stammelte Veesey.
    Talatashar sah nicht sie an, sondern sein unsichtbares Verbrechen, das er bald begehen würde, und fast glücklich erklärte er: »Du solltest es besser verstehen. Du bist es, die deswegen sterben wird, und dann er. Vor langer Zeit hast du mir ein Leid zugefügt, ein schmutziges, unerträgliches Leid. Es war nicht dein Selbst, das jetzt vor mir sitzt. Du bist nicht groß genug oder klug genug, um mir etwas anzutun, das so furchtbar ist wie die Dinge, die mir angetan worden sind. Es war nicht dein Selbst, das dies getan hat, es war das wahre, tatsächliche Selbst. Und nun werde ich dich zerschneiden und verbrennen und erwürgen und dich mit medizinischen Mitteln zurück ins Leben holen und dann wieder zerschneiden und erwürgen und verletzen, solange dein Leib es ertragen kann. Und wenn dein Leib sein Leben aushaucht, werde ich dir einen Raumanzug anlegen und deinen Leichnam zusammen mit ihm hinaus in den Weltraum stoßen. Von mir aus kann er lebend nach draußen gehen. Ohne Raumanzug wird es mit ihm binnen weniger Augenblicke vorbei

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