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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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sein. Und dann wird mir zum Teil Gerechtigkeit widerfahren sein. Das ist es, was die Menschen Verbrechen genannt haben. Es ist nur Gerechtigkeit, private Gerechtigkeit, die dem tiefsten Innern des Menschen entstammt. Verstehst du das, Veesey?«
    Sie nickte. Sie schüttelte den Kopf. Sie nickte erneut. Sie wußte nicht, was sie antworten sollte.
    »Und dann gibt es noch weitere Dinge, die ich tun muß«, fuhr er fort und schnurrte fast. »Weißt du, was sich außerhalb dieses Schiffes befindet, meiner Verbrechen harrt?«
    Sie schüttelte den Kopf, und so gab er sich selbst die Antwort.
    »Dort sind dreißigtausend Menschen, die in ihren Kapseln hinter dem Schiff hergezogen werden. Ich werde sie paarweise hereinholen und die jungen Mädchen hierbehalten. Die anderen werde ich dem Weltraum übergeben. Und mit den Mädchen werde ich herausfinden, was es ist – das, was ich immer tun mußte und niemals wußte. Das, was ich niemals wußte, Veesey, bis ich mit dir hier draußen im All war.«
    Seine Stimme klang nun verträumt, als ob er sich in seinen eigenen Gedanken verlor. Die verzerrte Hälfte seines Gesichtes bot das endlose Lächeln dar, aber die gesunde Hälfte wirkte nachdenklich und melancholisch, so daß sie spürte, daß es etwas in seinem Innern gab, was sie verstehen konnte, besäße sie nur die Fähigkeit und die Vorstellungskraft, die dazu notwendig waren.
    Mit trockenem Mund flüsterte sie: »Haßt du mich? Warum willst du mir Schmerzen zufügen? Haßt du Mädchen?«
    »Ich hasse die Mädchen nicht«, stieß er hervor. »Ich hasse mich. Hier draußen im Weltraum habe ich es herausgefunden. Du bist keine Person. Mädchen sind keine Menschen. Sie sind weich und hübsch und reizend und kuschelig und warm, aber sie besitzen keine Gefühle. Ich war ein stattlicher Mann bevor mein Gesicht verdarb, aber das spielt keine Rolle. Ich wußte immer, daß Mädchen keine Menschen sind. Sie sind Robotern ähnlich. Sie besitzen alle Macht der Welt und bleiben verschont von ihren Sorgen. Männer müssen gehorchen, Männer müssen bitten, Männer müssen leiden, weil sie erschaffen wurden, um zu leiden und sich zu sorgen und zu gehorchen. Ein Mädchen muß nur sein hübsches Lächeln lächeln und seine hübschen Beine übereinanderlegen, und der Mann gibt alles auf, wonach er sich jemals gesehnt und wofür er gekämpft hat, nur um ihr Sklave zu werden. Und das Mädchen …« – und an dieser Stelle begann er wieder zu kreischen, mit hohen, schrillen Schreien zu klagen – »… und das Mädchen wird dann eine Frau, und sie bekommt Kinder, noch mehr Mädchen, um die Männer zu quälen, noch mehr Männer, um Opfer der Mädchen zu werden, noch mehr Grausamkeit und noch mehr Sklaven. Du bist so grausam zu mir, Veesey! Du bist so grausam, daß du nicht einmal weißt, daß du grausam bist. Wenn du wüßtest, wie sehr ich mich nach dir sehne, dann würdest du wie ein Mensch leiden. Aber du leidest nicht. Du bist ein Mädchen. Nun, jetzt wirst du es erfahren. Du wirst leiden, und dann wirst du sterben. Aber du wirst erst sterben, wenn du weißt, was die Männer fühlen, wenn sie an Frauen denken.«
    »Tala«, begann sie und benutzte den Kosenamen, den sie bisher so selten benutzt hatte, »Tala, das ist nicht wahr. Ich wollte dich niemals quälen.«
    »Natürlich wolltest du das nicht«, schnappte er. »Mädchen wissen nicht, was sie anrichten. Das macht sie zu Mädchen. Sie sind schlimmer als Schlangen, schlimmer als Maschinen.« Er war verrückt, hoffnungslos wahnsinnig hier draußen in den tiefsten Tiefen des Alls. Er erhob sich so plötzlich, daß er nach oben schoß und sich an der Decke festhalten mußte.
    Ein Geräusch aus dem Kabinenhintergrund ließ beide sich herumdrehen. Trece versuchte, sich von seinen Fesseln zu befreien. Er schaffte es nicht. Veesey glitt auf Trece zu, aber Talatashar packte sie an der Schulter. Er drehte sie herum. Aus seinem armen, unglücklichen Gesicht blitzten seine Augen sie an.
    Manchmal hatte Veesey sich gefragt, wie der Tod wohl sein mochte. Sie dachte: Das ist er.
    Ihr Körper kämpfte noch immer gegen Talatashar, dort in der Kabine des Raumschiffes. Trece stöhnte im Griff der Fesseln und des Knebels. Sie versuchte, Talatashar die Augen auszukratzen, aber der Gedanke an den Tod schien sie immer weiter von allem zu entfernen. Sie glitt davon, tief in sich hinein.
    In sich hinein, wo kein anderer Mensch sie jemals erreichen konnte – gleichgültig, was geschah.
    Und aus der fernen, nahen

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