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Instrumentalität der Menschheit

Instrumentalität der Menschheit

Titel: Instrumentalität der Menschheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cordwainer Smith
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Styron IV, betrachtete verträumt die ferne Stadt.
    Nun büßte Griselda auch den Rest ihres Stolzes ein und wurde von Verwirrung überwältigt, denn ihr wurde klar, wie sehr sie mit ihrer törichten Jagd auf den Ornithopter das Vertrauen enttäuscht hatte, das ihr entgegengebracht worden war, als man den berühmten Besucher ihrer Obhut übergab.
    In der Ferne glitzerten die Kuppeln und Türme der Stadt perlmuttfarben in dem milden, schattenlosen Licht der Monde und Spiegel.
    Lord Kemals Gefühl der Irrealität verstärkte sich. Die Stadt wirkte so bezaubernd und unwirklich, daß er überzeugt war, sie würde verschwinden, sobald sie sich ihr zu nähern versuchten. Er mußte noch lernen, daß die Stadt und alles, was sie repräsentierte, nur allzu real waren.
    Während die Stadtmauern vor ihnen größer wurden, erkannte Kemal, daß der makellose weiße Glanz der Stadt auf einer Illusion beruhte. Die schimmernden weißen Mauern der Gebäude waren mit komplizierten Mosaiken aus Edelsteinen, Blumen, Blättern und geometrischen Mustern geschmückt, die die Schönheit der architektonischen Leistung noch vermehrten. Auf keiner von all den Welten, die Lord Kemal besucht hatte, war er auf Dinge gestoßen, die sich mit dieser Stadt vergleichen ließen; Philips Palast auf dem Edelsteinplaneten war eine Hütte im Vergleich mit diesen Bauwerken.
    Gepflegte Gärten mit Springbrunnen und künstlichen Seen trennten die Gebäude voneinander. Buschwerk, dessen kunstvolle Anordnung den Eindruck natürlicher Entstehung vermittelte, wucherte an zahlreichen Stellen. Plötzlich wurde dem Raumlord eine weitere seltsame Eigenschaft dieses Planeten bewußt: Nirgendwo gab es Bäume.
    Hunde kläfften sie aus sicherer Entfernung an, als sie die Stadt betraten, aber dieses Mal widerstand Griselda der Versuchung. Jetzt, wo sie sich in der Stadt befand, ging von ihr eine gewisse Würde aus; es schien, als ob sie ihre vorherige Pflichtvergessenheit damit ausgleichen wollte. Geradewegs trottete sie auf die Palasttreppe zu.
    Lord Kemal fühlte, wie sich Griseldas Hinterteil spannte, als sie Anstalten machte, mit einem Satz die Stufen hinauf und durch den offenen Eingang zu springen. Für sie beide war die Türöffnung zu eng. Zum Glück erreichte Kuat die Treppe zuerst und zischte ihr einen Befehl zu. Kemal registrierte ihren Widerwillen. Viel lieber wäre sie die Stufen hinaufgesprungen, aber sie gehorchte. Sie legte sich hin, knickte in den Hinterläufen ein, streckte die Vorderläufe aus; der Lord Kemal stieg mühelos, aber widerstrebend ab, und er war fast so enttäuscht wie Griselda, daß der Ritt beendet war. Er streckte eine Hand aus und kraulte die Katze hinter den Ohren.
    Madu lächelte zustimmend. »So ist es richtig. Wenn Sie Freundschaft mit Ihrer Katze schließen, wird Sie Ihnen bereitwilliger gehorchen.«
    Kuat grunzte. »Ich habe meine eigene Methode, sie zum Gehorsam zu zwingen, wenn ihnen ihre Flausen zu Kopfe steigen.« Erst jetzt entdeckte der Raumlord eine kurze, mit Widerhaken versehene Peitsche an Kuats Gürtel, auf die Kuat jetzt deutete.
    »Kuat, das darfst du nicht«, protestierte Madu. »Du hast noch nie …«
    »Du hast es nur noch nicht gesehen«, unterbrach er. Als ihr Gesicht sich verfinsterte, fügte er beruhigend hinzu: »Bis jetzt ist es noch nicht erforderlich gewesen. Aber sei versichert, daß ich es tun werde.«
    Madu schien, wie Kemal bemerkte, Kuats beruhigenden Worten nicht ganz zu vertrauen. Ein zweifelnder oder fragender Ausdruck verdunkelte die Offenherzigkeit ihres Antlitzes. Erneut empfand er Furcht vor ihr, und erneut verdrängte er dieses Gefühl.
    Es war ihre Unschuld, vor der er sich ängstigte. Er erkannte, daß ihre Augen ihn an R’irena aus den lang vergangenen Tagen seiner wahren Jugend erinnerten – bevor man ihn nach Art der Menschen weise gemacht hatte, bevor ihm beigebracht worden war, daß sich Untermenschen und wahre Menschen nicht wie gleichwertige Lebewesen vermischen konnten. R’irena mit der faungleichen Anmut, dem weichen, lieblichen Mund, den unschuldigen Augen der Rehe, die ihre Vorfahren gewesen waren. Was war aus ihr geworden, nachdem er sie verlassen hatte? Besaßen ihre Augen noch immer jene süße Naivität, die sich auch in Madus Augen widerspiegelte? Oder hatte sie einen groben Hirsch geheiratet und einen Teil seiner Grobheit angenommen?
    Er erinnerte sich an ihre Naivität und hoffte, daß sie mit einem hübschen Bock vermählt worden war, der ihr Kitze geschenkt hatte, die

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