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Intensity

Intensity

Titel: Intensity Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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gesehen hatte – was war dann mit Laura passiert?
    Daran durfte sie nicht denken. Nicht jetzt. Noch nicht. Im Augenblick mußte sie all ihre Gedanken, all ihre Cleverness darauf konzentrieren, am Leben zu bleiben.
    Vor achtzehn Jahren, am Abend ihres achten Geburtstags, hatte Chyna sich in einem Häuschen am Strand von Key West unter ihr Bett gezwängt, um sich vor Jim Woltz, dem Freund ihrer Mutter, zu verstecken. Ein wütender Sturm war vom Golf von Mexiko heraufgezogen, und das heftige Gewitter am Himmel hatte ihr solche Angst eingejagt, daß sie es nicht wagte, am Strand Zuflucht zu suchen, wohin sie sich an anderen Abenden zurückgezogen hatte. Nachdem sie in den engen Zwischenraum unter diesem eisernen Bett geschlüpft war, hatte sie herausgefunden, daß sie ihr Versteck mit einem Palmetto teilte. Palmettos waren nicht so exotisch oder schön wie ihr Name. In Wirklichkeit waren sie nichts weiter als riesige tropische Kakerlaken. Diese Schabe war so groß wie ihre Kleinmädchenhand. Normalerweise wäre das verhaßte Ungeziefer vor ihr davongeflitzt. Aber offensichtlich beunruhigte sie es weniger als der polternde Woltz, der in betrunkener Wut durch ihr kleines Zimmer krachte und immer wieder gegen Möbel und Wände prallte, wie ein erzürntes Tier, das sich gegen die Gitterstäbe seines Käfigs warf. Chyna war barfuß gewesen, hatte blaue Shorts und ein weißes Top getragen, und die Küchenschabe war in ihrer Raserei über ihre nackte Haut gehuscht, zwischen den Zehen, die Beine hinauf und hinab und wieder hinauf, über ihren Rücken, den Hals, in ihr Haar, über die Schulter, den schlanken Arm entlang. Aus Furcht, Woltz’ Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, hatte sie ihren Drang unterdrückt, vor Ekel zu kreischen. Er war an diesem Abend außer sich gewesen, wie ein Ungeheuer aus einem Traum, und sie war überzeugt gewesen, daß er wie alle Ungeheuer ein übernatürlich scharfes Sehvermögen und Gehör hatte, damit er um so besser Kinder jagen konnte. Sie hatte nicht einmal den Mut aufgebracht, nach dem Kakerlak zu schlagen oder ihn zu vertreiben, aus Angst, Woltz könne selbst im Sturmgeheul und dem unaufhörlichen Krachen des Donners das leiseste Geräusch hören. Sie hatte die Aufmerksamkeit des Insekts ertragen, um der von Woltz zu entgehen, hatte die Zähne zusammengebissen, um einen Schrei zu unterdrücken, und verzweifelt zu Gott gebetet, sie zu retten, und dann noch eindringlicher, sie zu sich zu holen, die Qual zu beenden, notfalls auch durch einen Blitzschlag, ein Ende der Qual, ein Ende, lieber Gott, ein Ende.
    Obwohl Chyna ihr Versteck unter diesem Bett mit keiner Küchenschabe teilte, spürte sie, wie etwas über ihre Zehen kroch, als sei sie wieder das barfüßige Mädchen, und sie zog die Beine an, als trüge sie keine Jeans, sondern Baumwollshorts. Seit am Abend ihres achten Geburtstags die Schabe sich durch ihre Locken gewühlt hatte, hatte sie das Haar nicht mehr lang getragen, doch nun spürte sie den Geist dieses Insekts in ihrem kurzgeschnittenen Haarschopf.
    Der Mann im Schrank, der vielleicht zu unendlich schlimmeren Greueltaten fähig war als Woltz in ihren furchtbarsten Träumen, zog an der Lichtschnur. Das Licht erlosch mit einem Klicken, dem das Klimpern von Metallgliedern folgte.
    Die Stiefel tauchten wieder auf und näherten sich dem Bett. Eine neue Träne aus Blut glänzte auf der Rundung des schwarzen Leders.
    Gleich würde er neben dem Bett niederknien.
    Lieber Gott, er wird mich geduckt wie ein Kind vorfinden, an meinem eigenen unterdrückten Schrei erstickend, in kalten Schweiß gebadet, aller Würde beraubt bei dem verzweifelten Bemühen, am Leben zu bleiben, unberührt und lebend, unberührt und lebend.
    Sie hatte das verrückte Gefühl, daß das Wesen, das jetzt unter das Bett schauen und ihr ins Gesicht sehen würde, kein Mensch war, sondern eine riesige Küchenschabe mit schwarzen Facettenaugen.
    Sie war zur Hilflosigkeit der Kindheit zurückgeführt worden, zu der ursprünglichen Furcht, von der sie gehofft hatte, sie nie wieder erleben zu müssen. Er hatte ihr die Selbstachtung gestohlen, die sie mühsam über Jahre hinweg erworben – verdammt, die sie sich verdient hatte, und diese Ungerechtigkeit ließ ihr bittere Tränen in die Augen schießen.
    Doch dann wandten seine befleckten Stiefel sich von ihr ab und gingen weiter. Er schritt am Bett vorbei zur offenen Tür.
    Was immer er von der Kleidung gehalten hatte, die dort im Schrank hing – offensichtlich war er zu

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