Internat und ploetzlich Freundinnen
kleinen Fleck von ihrem T-Shirt zu wischen. Jonas’ Mutter reicht ihr eine Serviette, nimmt ihr das Glas aus der Hand und stellt es behutsam auf den Tisch.
„Möchtest du dich vielleicht ein bisschen hinlegen?“, fragt sie. „Komm, ich bring dich rein.“
Sofie steht auf und folgt Frau Blum.
Carlotta und Manu sehen sich erstaunt an. Den Kuchen auf ihrem Teller hat Sofie kaum angerührt. Nur ein winziges Eckchen fehlt.
„Gute Besserung!“, ruft Jonas ihr nach.
Sofie hebt eine Hand und winkt. Es sieht aus, als würde die kleine Geste sie ungeheuer anstrengen.
„Bestimmt geht’s eurer Freundin bald besser“, versucht Herr Blum die gedämpfte Stimmung aufzuheitern. Er verputzt den Rest seines Kuchens und schiebt seinen Stuhl zurück. „Ich muss langsam wieder an die Arbeit. Jonas“, wendet er sich an seinen Sohn, „wir suchen nachher noch mal den Wald ab. Vielleicht sind da noch mehr Katzen. Ich möchte nichts übersehen.“
„Klaro.“ Jonas nickt. Als sein Vater weg ist, runzelt er die Stirn. „Was ist denn mit Sofie los? Ist die echt krank?“
Carlotta und Manu zucken ratlos die Achseln.
„Keine Ahnung“, antwortet Manu. „Sie redet nicht mit uns. Wenn wir’s versuchen, blockt sie sofort ab.“
„Und sie isst kaum was“, ergänzt Carlotta. „Wenn sie so weitermacht, ist sie bald nur noch ein Strich in der Landschaft.“
„Das ist sie doch jetzt schon!“ Jonas nimmt sich noch ein Stück Kuchen und verdrückt es mit zwei, drei schnellen Bissen. „Ein Windstoß, und die ist weg.“
Carlotta gibt ihm Recht. Finchen wacht auf und streckt sich in ihrem Korb. Die jungen Hunde springen auf und wedeln mit den Schwänzen, aber Jonas ruft sie sofort zur Ordnung.
Seine Mutter kommt zurück – ohne Sofie. „Eure Freundin hat sich drinnen aufs Sofa gelegt“, berichtet sie. „Sie ist ein bisschen erschöpft. Kein Wunder.“
Carlotta und Manu wechseln einen verwirrten Blick.
„Wieso kein Wunder?“, fragt Manu. Sie bricht einen dünnen Zweig von einem Strauch ab und kratzt sich damit unter dem Gips.
Carlotta unterdrückt ein Aufstöhnen. Seit Manu den Gips hat, kratzt sie sich darunter ständig mit allen möglichen Gegenständen: Linealen, Bleistiften, aufgedröselten Büroklammern und allem, was ihr zwischen die Finger kommt, egal, ob es ihr gehört oder nicht. Es nervt.
„Weil ihre Mutter krank ist“, erwidert Frau Blum erstaunt. „Hat sie euch das nicht erzählt? Sie musste in den letzten Ferientagen ins Krankenhaus und verschiedene Untersuchungen über sich ergehen lassen.“
„Was hat sie denn?“, fragt Carlotta alarmiert. „Ist es was Schlimmes?“
Jonas’ Mutter schüttelt den Kopf. „Das kann ich euch nicht sagen. Sofie weiß es selbst noch nicht. Aber sie macht sich schreckliche Sorgen. Sie wollte zuerst gar nicht ins Internat zurück, aber ihre Eltern haben darauf bestanden. Sie haben wohl Angst, dass Sofie sonst ihr Stipendium verlieren könnte. Und zu Hause ist ja auch niemand, der sich um sie kümmern könnte.“
„Ach herrje“, murmelt Manu.
Jonas nimmt Finchen aus dem Korb und streichelt sie. Er macht ein betretenes Gesicht.
In Carlottas Kopf purzeln die Gedanken durcheinander. Plötzlich wird ihr klar, warum Sofie so still ist, seit die Schule wieder angefangen hat. Auch ihre Appetitlosigkeit sieht sie jetzt in einem ganz anderen Licht. Sofie hat Sorgen, große Sorgen sogar. Und es gibt niemanden, mit dem sie darüber reden kann. Ihre Familie und ihre Freundinnen und Freunde von früher leben alle in Belgien, und das ist ganz schön weit weg.
Aber sie hat doch uns, denkt Carlotta. Manu und mich. Warum hat sie uns nichts erzählt? Warum spricht sie nicht mit uns?
„Arme Sofie“, sagt sie. „Wir sollten ihr irgendwie helfen.“
„Gute Idee“, meint Manu. „Fragt sich nur wie. Die benimmt sich doch wie eine Kratzbürste, sobald man ihr zu nahe kommt.“
Das musst du gerade sagen, du Oberkratzbürste, will Carlotta schon antworten. Sie schluckt es schnell herunter. Ein Streit mit Manu würde ihr gerade noch fehlen. Sofie braucht Hilfe, und wenn sie ihr helfen wollen, müssen sie zusammenhalten, unbedingt.
Jonas legt Finchen in den Korb zurück.
„Ich geh noch mal in den Wald“, sagt er. „Falls da noch mehr Katzen sind.“
„Gute Idee“, sagt Manu. „Sollen wir mitkommen? Wir könnten uns verteilen, damit wir nichts übersehen.“
Jonas ist einverstanden. Carlotta auch.
Alles ist besser, als hier herumzusitzen, denkt sie. Vielleicht fällt
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