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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schnarch
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Sie kitzelte und Sie deswegen stinkwütend waren. Haben Sie damals manchmal gedacht: Jetzt tut ihr mir das schon wieder an. Ihr seid so egoistisch. Ich bin euch völlig egal. Ihr interessiert euch nur für euch selbst!«?
    Nach ein paar Sekunden sagte Colleen: Ȁh, ja.«
    Â»Wie oft war das so?«
    Â»Oft.«
    Â»Nennen Sie eine Zahl.«
    Tränen rannen über Colleens Gesicht. »Hundertmal, Hunderte von Malen! Ich konnte es nicht mehr zählen, so oft war es!« Danach entspannte sie sich endlich und ließ ihr Schluchzen zu.
    Nach einigen Minuten sagte ich: »In diesen Augenblicken hatten Sie große Angst, und es waren auch sehr bedeutungsvolle Momente. Während solcher interpersonalen Kontakte baut Ihr Gehirn neue Verbindungen auf. Man nennt sie ›Augenblicke der Begegnung‹.«
    Â»Wollen Sie damit sagen, dass diese Gedanken in meinem Gehirn fest verankert sind?«
    Â»Ich weiß es nicht. Vielleicht nicht genau diese Gedanken, aber vielleicht die Themen. Wir wissen nicht ganz genau, wie das funktioniert. Aber Sie haben sehr wichtige emotionale und körperliche Interaktionen erlebt. Diese waren so stark, dass sie in Ihrem Gehirn unwillkürliche Reaktionen ausgelöst haben.«
    Colleen nickte. »Bedeutet das, meine Gedanken und Gefühle Anthony gegenüber haben nichts mit ihm zu tun?«
    Â»Nein. Er tut Dinge, die diese Gedanken und Gefühle bei Ihnen auslösen. Wie Sie auf ihn reagieren, hängt schon mit ihm persönlich zusammen. Aber möglicherweise ist das nicht der einzige Grund, aus dem diese Gedanken und Gefühle bei Ihnen auftreten. Vielleicht ist Ihr Geist entsprechend veranlagt – etwa so, als wäre in Ihrem Gehirn eine bestimmte ›Rille‹ entstanden.«
    Bei Colleen bestand die Prädisposition, Anthony und ihre Beziehung zu ihm auf eine Weise zu sehen, die bei ihr Kitzligkeit auslöste und sie dazu brachte, ihn von sich zu stoßen. Nun fürchtete sie, er könnte wütend darüber werden, dass die Dynamik in ihrer Ursprungsfamilie ihn dazu prädestinierte, die Rolle des »bösen Buben« zu spielen. Doch Anthony war vor allem erleichtert. Er dachte zurück an die Situationen, in denen er das Gefühl gehabt hatte, Colleen glaube, er versuche sie zu kontrollieren, obwohl das gar nicht stimmte.
    Als Colleen nach unserer Sitzung über ihre Vergangenheit und die Möglichkeit nachdachte, dass das, was sie früher erlebt hatte, sich auf die Funktionsweise ihres Gehirns ausgewirkt haben könnte, geriet sie in eine Krise. Sie brauchte mehrere Tage, um sich aus diesem Tief zu befreien. Als es ihr wieder besser ging, schlug sie Anthony vor, Liebe zu machen. Dies war ein ziemlich gewaltiger Sprung, denn seit drei Jahren hatte es zwischen ihnen keinen Sex mehr gegeben. Doch diesmal sorgten beide gemeinsam dafür, dass sie wirklich »zusammen« waren, und ihre oberste Priorität war, mit Colleens Kitzligkeit richtig umzugehen. Lange praktizierten sie Umarmen bis zur Entspannung und Köpfe auf Kissen und erlebte so eine tiefere und ruhigere Verbundenheit als jemals vorher.
    Sie sind ängstlicher, als Ihnen klar ist
    Wenn Sie noch nie Sex ohne Angst erlebt haben, wissen Sie nicht, dass es sich auch ganz anders anfühlen kann. In Unkenntnis dieses Gefühls nehmen Sie an, dass das, was Sie empfinden – was es auch sein mag –, für den Liebesakt normal sei. Erst wenn Ihre Angst einmal nicht im Spiel ist, wird Ihnen rückblickend klar, wie ängstlich Sie waren.
    Colleen fiel es schwer zu erkennen, wie ängstlich und unsicher sie war, weil sie sich nicht nervös fühlte . Man kann eine ausgewachsene Angst mit sich herumschleppen, ohne sie auch nur zu bemerken. Man erkennt sie nicht, weil man damit aufgewachsen ist. Wenn Sie sich ständig fragen, wer in Ihrer Familie das nächste Kitzelopfer sein wird, gewöhnen Sie sich an ein gewisses permanentes Angstniveau. Sie sind dann ständig angespannt und nervös, ganz gleich, ob Sie die Situation auf sich zukommen sehen oder nicht. Ist eine häusliche Umgebung von dieser Art von Angst geprägt, wirkt sich dies auf die Neuschaffung neuronaler Verbindungen im Gehirn aus. Colleens Gedanken waren immer wieder von Angst bestimmt gewesen, und sie hatte körperlich Angst verspürt, wenn andere Mitglieder ihrer Familie sie gekitzelt hatten.
    Ebenso verhielt es sich bei Anthony. Er dachte nicht gerne daran

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