Intimitaet und Verlangen

zu überwinden?«
    Â»Vielleicht. Woran denken Sie beispielsweise, wenn Anthony Sie berührt und Sie mit Kitzligkeit reagieren?«
    Ohne dass Colleen auch nur einen einzigen Muskel bewegte, wurde ihre Mimik plötzlich undurchschaubar. »Ich weiß nicht, woran ich denke, wenn ich gekitzelt werde.«
    Â»Ich glaube, dass Sie das sehr wohl wissen. Und ich glaube nicht, dass Sie daran denken, dass Sie mit Anthony zusammen sind. Ich vermute sogar, dass Sie in solchen Augenblicken nicht den geringsten Gedanken an ihn haben.«
    Colleen war auf der Hut. Ich hatte diese kalte und harte Seite von ihr bisher noch nie gesehen. »Wollen Sie damit sagen, dass ich an jemand anders denke? Oder dass ich über jemand anders phantasiere?«
    Â»Das weiß ich nicht. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie nicht an sich selbst und Anthony als ein Team denken. Sie denken nicht an sich selbst und ihn als eine Einheit.«
    Â»Manchmal werde ich ziemlich hysterisch. Vielleicht denke ich dann an gar nichts.«
    Â»Colleen, Sie sind von Mitgliedern Ihrer Familie viele Male gekitzelt worden. Wahrscheinlich haben Sie manchmal daran gedacht. Wenn dies also wiederholt geschah – oder wenn es geschieht, während Sie mit Anthony zusammen sind –, ist es für Sie nicht völlig unbekannt. Sie verbinden viele Gefühle mit dieser Art von Erlebnis. Und ich möchte wetten, dass Sie die gleichen Dinge, die Sie mit Ihrer Ursprungsfamilie assoziieren, auch mit Anthony in Zusammenhang bringen. Sie brauchen mir nicht zu sagen, worum es sich handelt, aber wir brauchen auch nicht stillschweigend so zu tun, als hätten Sie einen völligen Blackout.«
    Colleen warf mir einen kritischen Blick zu. Anthony sagte: »Doktor, vielleicht weiß sie es wirklich nicht.«
    Colleen schaute zu Boden. Dann sah sie Anthony an und biss sich auf die Lippe. Danach schaute sie mich an. Es sah ganz so aus, als würde sie im nächsten Moment einen wichtigen Sprung wagen.
    Â»Ich denke: Du tust es mir schon wieder an, nicht wahr? Du bist so egoistisch. Ich bin dir völlig egal. Für dich bist nur du selbst wichtig! Ich habe das so oft gedacht, dass es in meinem Geist zu einer Litanei geworden ist.«
    Colleens Offenbarung schlug bei Anthony ein wie eine Bombe. Seine erste Reaktion nach diesem Schock war, dass er es als peinlich empfand, so dumm gewesen zu sein. Colleen konnte sein Spiel nicht nur ebenso gut wie er spielen, sondern übertraf ihn darin sogar. Er hatte nicht gemerkt, dass sie vor ihm verborgen hatte, was in ihr vor sich ging, und dass sie ihn daran gehindert hatte, die Vorgänge in ihrem Geist zu erkennen. Obwohl Anthony mit einer ansehnlichen Zahl von Frauen Sex gehabt hatte, war er völlig unerfahren darin, mit einer Frau im Bett zu sein . Und weil er so wenig Erfahrung mit einer positiven emotionalen Verbindung hatte, war ihm nicht aufgefallen, dass in ihrer Beziehung etwas fehlte. Anthony schaute Colleen an. Er war offensichtlich beunruhigt, hatte aber nicht die Beherrschung verloren. Er sagte reuig: »Ich hätte es mir denken können. Beim Sex bin ich für dich immer der Angreifer, der etwas mit dir macht, und du wehrst mich ab.«
    Colleen sagte nichts. Anthony schwieg lange genug, um ihre Reaktion herauszuheben. »Ich finde, das beschreibt gut, wie auch ich mich fühle. Ich habe das Gefühl, dass du mich ständig abwehrst. Ich habe es mir nie zugestanden, dies völlig zu durchdenken … Ich nehme an, dass du mich genauso siehst, wie ich meine Familie gesehen habe.« Anthony sank in seinen Stuhl zurück und starrte auf den Teppich.
    Colleen ist wie vom Schlag gerührt
    Â»Ich fühle mich tatsächlich, als ob ich dich abwehre, aber ich hatte Angst, es dir zu sagen.« Anthony nickte traurig und starrte weiter zu Boden.
    Ich sagte: »Diese Empfindungen haben Sie also Anthony gegenüber. Das sind aber Ihre Gedanken und Gefühle. Vielleicht beziehen sie sich ja auf Sie selbst .«
    Â»Was meinen Sie damit?« Die Frau, die einen riesigen Sprung gewagt und sich für ihre eigenen Interessen eingesetzt hatte, war wieder verschwunden, und die Colleen, die ausdrückte Ich bin jemand, mit dem man vorsichtig umgehen muss. Ich bin verletzlich. Sei vorsichtig mit mir tauchte wieder auf.
    Ich sprach langsam und sanft. »Ich hatte vorher schon gesagt, dass Sie bezogen auf Anthony wahrscheinlich die gleichen Gedanken hatten, wie wenn Ihre Familie