Intimitaet und Verlangen
gelungen, sie in ihrem Rhythmus gegenseitiger Anschuldigungen aus dem Takt zu bringen. »Nun einmal konkret: Was tun Sie denn tatsächlich beim Sex?«
Beide antworteten nicht. Offensichtlich waren sie verlegen und hofften, die Partnerin würde etwas sagen. Regina und Ellen schauten einander an, aber auch danach sagten beide nichts. SchlieÃlich ergriff Regina das Wort: »Wir reiben uns aneinander, Becken an Becken, bis eine von uns kommt, oder wir stimulieren einander mit den Fingern. Manchmal benutzen wir auch einen Vibrator. Und manchmal bringen wir uns im Beisein der anderen selbst zum Orgasmus.«
Wie aus der Pistole geschossen bestätigte Ellen: »Genau. Das sind die Dinge, die wir tun.« Dann fügte sie hinzu: »Und ich bin das leid. Es ist langweilig!« Wieder stritten Regina und Ellen darüber, wer für den langweiligen Sex verantwortlich sei. Ich musste die Aufmerksamkeit beider durch ein Handzeichen auf mich lenken.
»Natürlich sind Sie gelangweilt. Wie könnte es anders sein? Sie sind normal!« Beide schauten mich an. Regina sagte: »Wenn Sie das der Wirkung wegen sagen, Doktor, dann kann ich nur sagen: Es ist seeeehr wirksam. Uns zu sagen, wir seien normal, damit wir aufhören, uns zu streiten â wirklich seeehr clever, muss ich ehrlich zugeben.«
»Ich sage Ihnen, dass es normal ist, wenn Sie tödlich gelangweilt sind, weil das wirklich so ist!«
Sexuelle Langeweile ist normal
Ellen und Regina hatten eine normale sexuelle Beziehung. Zu Beginn hatte Regina sexuelle Verhaltensweisen ausgeschlossen, bei denen sie sich unbehaglich oder unwohl fühlte. Ellen hatte es genauso gemacht. Sie lernten, von der Partnerin als beängstigend empfundene sexuelle Themen zu meiden, ihr Zögern in Reaktion auf bestimmte Dinge zu registrieren und sich im Bett an den Aktivitäten zu orientieren, die die andere zulieÃ. Damit fuhren sie so lange fort, bis eine von ihnen nervös wurde oder unbeholfen reagierte. Dann gingen sie zu etwas anderem über und probierten die Dinge, bei denen Probleme aufgetreten waren, nie mehr aus. Dieses Verhalten hatte nichts mit der Tatsache zu tun, dass sie ein eingeschlechtliches Paar waren. Heterosexuelle Paare verhalten sich meist nach dem gleichen Muster, bevorzugen allerdings andere sexuelle Verhaltensweisen.
Ellen wollte mit einem Dildo experimentieren (einen Vibrator benutzten sie ohnehin), doch sie nahm an, Regina werde sich dabei nicht wohlfühlen. Sie hatte diese Möglichkeit in den ersten Jahren ihrer Beziehung mehrmals angedeutet, doch Regina hatte sich nie darauf eingelassen. Allerdings hatte Ellen das Thema auch nie direkt zur Sprache gebracht, weil dies ein für sie zu hohes Maà an selbstbestätigter Intimität vorausgesetzt hätte. Stattdessen hatte sie mehrmals indirekt auf Dildos angespielt, und als Regina nicht darauf »angesprungen« war, hatte sie nicht mehr nachgehakt.
AuÃerdem wünschte Ellen sich, oral befriedigt zu werden, und sie war auch bereit, dies selbst zu tun. Doch Regina sperrte sich dagegen. Die Verhandlung darüber bestand gröÃtenteils in nonverbalen Handlungen, beispielsweise darin, dass Ellen ihren Schritt in die Nähe von Reginas Kopf positionierte, woraufhin Regina passiv wurde oder rasch die eigene Position veränderte.
Wie alle Paare, unabhängig von der sexuellen Orientierung, schufen Regina und Ellen gemeinsam eine mentale Welt des Sex. Ihre sexuelle Landschaft umfasste »die Art, wie wir Liebe machen«, »Tabu!«, »Völlig tabu!« und den »Kampfplatz«. Der Dildo war zurzeit tabu. Oralsex war augenblicklich Gegenstand der Kontroverse und für Regina und Ellen der »Kampfplatz«.
Oralsex war Regina eher bereit zu akzeptieren als den Dildo. Sie hielt Oralsex für allgemein akzeptierter und weniger pervers, weil viele Menschen ihn praktizierten. Dass jemand den Wunsch danach hatte, respektierte sie. Regina erklärte, sie fühle sich dabei definitiv nicht wohl, wisse aber nicht warum. Ellenhatte keine Lust mehr, darauf zu warten, dass Regina den Grund für ihre Reserviertheit herausfand.
Allerdings wünschte Ellen sich sehr von Regina, mit einem Dildo stimuliert zu werden. Und sie wäre auch bereit gewesen, das Gleiche für Regina zu tun. Konkret wünschte Ellen sich ein ganz bestimmtes Erlebnis, wenn sie sich dem Höhepunkt näherte. Es ging nicht darum, dass Ellen ihren Mann oder dessen
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