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Intimitaet und Verlangen

Intimitaet und Verlangen

Titel: Intimitaet und Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schnarch
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Ellen es wohl jemals zugegeben hätte, waren beide extrem statusbewusst. Auf der Ebene des Bewusstseins waren ihnen Gleichheit und Gerechtigkeit sehr wichtig. Doch sobald es darum ging, wer von ihnen »Oberwasser« oder einen Grund hatte, auf die andere herabzuschauen, ging ihr gespiegeltes Selbstempfinden mit ihnen durch. Dann keiften sie einander an und verfielen später in eisiges Schweigen.
    Was das Bedürfnis nach Weiterentwicklung anregt
    Regina und Ellen stritten häufig über Sex, und ihre Streitereien verliefen ebenso voraussehbar wie ihre sexuellen Interaktionen. Auch in dieser Hinsicht haben Veränderungen der Routine stets eine starke Wirkung. In meiner Praxis sagte Regina: »Ich glaube, Ellen denkt zurzeit nur an Oralsex.« Sie präsentierte diese Stichelei, als handle es sich um eine wichtige Neuigkeit.
    Doch statt daraufhin in die für sie typische Selbstverteidigung zu verfallen, schaute Ellen einige Sekunden lang auf den Boden und sagte dann: »Nein, ich habe über etwas anderes nachgedacht.«
    Regina machte sich zum Angriff bereit: »Und über was?«
    Â»Ich habe gedacht, ich möchte, dass du mich mit einem Dildo vögelst.«
    Â» Wie bitte?« Regina war so schockiert wie Ellen erfreut.
    Â»Ich habe mir schon immer gewünscht, dass du es mir mit einem Dildo machst. Als wir uns kennenlernten, habe ich ein paarmal entsprechende Anläufe gemacht, aber du bist nicht darauf eingegangen. Daraus schloss ich, dass du nicht daran interessiert warst. Und ich hatte in der ganzen Zeit unseres Zusammenseins nie den Nerv, es dir direkt zu sagen.«
    Regina dachte offenbar nicht darüber nach, wie sie mit dieser Offenbarung umgehen sollte, sondern sie fragte: »Warum hast du denn nichts darüber gesagt, wenn du das wirklich wolltest?« Regina sagte dies, als hätte es nicht das Geringste mit ihr persönlich zu tun, dass Ellen sie nie direkt darauf angesprochen hatte.
    Â»Ich habe es einfach nicht über mich gebracht. Ich habe mich geschämt. Ichwar damals noch jung, und ich glaubte, das sei pervers. Damals hatte ich abwechselnd Männer- und Frauenbeziehungen, und ich glaubte, schon allein das sei ziemlich pervers. Ich fürchtete, du würdest mich für eine im Grunde heterosexuelle Frau halten, die unbedingt ›etwas‹ in sich spüren müsste. Heute bin ich sexuell reifer. Deshalb sehe ich meinen Wunsch einfach so, dass ich es eben mag, etwas in mir zu spüren, wenn ich komme. Jetzt kannst du mich verklagen, wenn du willst.«
    Die Aufforderung, sie zu verklagen, hatte Ellen perfekt plaziert; darin kam die Anwältin, die sie ja tatsächlich war, zum Ausdruck. Das Ganze war so etwas wie ihre private »Unabhängigkeitserklärung«. Regina antwortete: »Wenn du mich vor die Wahl stellst, entweder Oralsex mit dir zu machen oder es dir mit einem Dildo zu besorgen … also wirklich, ich hätte nie gedacht, dass ich einmal vor dieser Wahl stehen würde! Ganz ehrlich, ich weiß nicht, für welche dieser beiden Möglichkeiten ich mich entscheiden würde.«
    Ellen lachte. »Machst du Witze? Du weißt nicht, für was du dich entscheiden sollst? Ich war mir sicher, dass du dich eher für Oralsex entscheiden würdest als dafür, es mir mit einem Dildo zu besorgen. Mir zumindest fällt es wesentlich leichter, dir Oralsex vorzuschlagen.«
    Â»Da sprichst du wohl über deine Probleme, mein Liebes. Für mich ist beides ein gleich riesiger Schritt!«
    Ich mischte mich in das Gespräch ein: »Was für eine Art von riesigem Schritt?«
    Regina schwieg einen Moment. »Ich müsste mich dann mit meiner eigenen Erotik und mit dem, was mir schwerfällt, auseinandersetzen.«
    Â»Auf welche Weise?«
    Wieder trat Stille ein. Dann antwortete sie: »Ich müsste über das Geschmacksproblem beim Oralsex hinwegkommen. Ich fürchte, der Geschmack könnte mir nicht gefallen. Ich weiß zwar, dass ich solche Probleme eigentlich nicht haben dürfte, weil ich ja Lesbe bin, aber ich habe sie nun mal.«
    Ellen ergriff das Wort: »Ich glaube nicht, dass das etwas mit Lesbisch-Sein zu tun hat. Ich hatte das gleiche Problem, als ich anfing, Männern einen zu blasen. Das macht keinen Spaß, solange man sich vor dem Geschmack ekelt. Aber ich bin darüber hinweggekommen, und du kannst es auch. Nachdem mir das gelungen war, wurde ich richtig gut darin. Du würdest wohl etwas

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